Glaube, der mehr als Wissen ist

»Das glaubst du nur, das ist kein Wissen«, warf mir mal jemand vor. Mit dem Wissen meinte dieser Mensch all das, was wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Ein guter Grund für einige Betrachtungen über das Wissen, den Glauben und die Kausalitäten.

Ursache und Wirkung

Dieses Prinzip, vor allem die Wiederholbarkeit der Ursache-Wirkung-Ketten, ist etwas Beruhigendes, bringt Ordnung in die Welt. Wenn ich Wassereis erhitze, schmilzt es. Oder allgemein: »Wenn A, dann B«.

Es gibt aber wissenschaftliche Bereiche mit komplexeren Ursache-Wirkungs-Ketten und mit Unwägbarkeiten. In der Psychologie muss nicht immer aus einem A ein B werden. Hatte ein Mensch eine schwere Kindheit, ist das keine in Stein gemeißelte Vorhersage, dass ihn ein problembeladenes Leben erwartet.

Das simple Ursache-Wirkungs-Prinzip kann nicht die Welt erklären, nicht den Menschen mit seinem Verhalten. Das wussten unsere Altvorderen, beispielsweise die Schamanen. C. G. Jung gab diesem Prinzip den Namen Synchronizität [*].

Wenn Wissen Glaube ist und Angst bereitet

Die Mechanik eines Newton hat in der Physik ihre Grenzen, denn ab nennenswerten Bruchteilen der Lichtgeschwindigkeit muss Einsteins Relativität her. Die Geometrie eines Euklid gilt nicht uneingeschränkt, da sie im Weltraum mit seinen mehr als drei Dimensionen versagt. Und dann kam die Quantenphysik, die weiterhin für Überraschungen und Rätsel sorgt in unserem gewohnten und logisch scheinenden Weltbild.

Kann ich unumstößlich wissen, dass alles, was gegenwärtig wissenschaftlich belegt ist, nicht doch eine Relativierung erfährt? Dass es eben relativ ist, da es nur in bestimmten Bereichen und unter bestimmten Bedingungen gilt?

Hier scheint es, dass manche Wissensbereiche eher Glaube denn Wissen sind. Und wenn Wissen, dann mit einer zeitlich begrenzten Gültigkeit. Einst glaubten manche Menschen, es sei alles entdeckt worden, Physik zu studieren lohne nicht mehr. Heute glauben manche Menschen, dass all das, was gegenwärtig nicht wissenschaftlich nachweisbar ist, nicht existieren könne. Sie glauben ebenfalls, was jetzt als Humbug gilt, auf ewig Humbug bleiben wird.

Es ist die Angst, dass ihr Glaube an die Unerschütterlichkeit ihres Wissens widerlegt werden kann. Das erklärt die Vehemenz, mit der manche Wissenschaftsgläubige, die Spiritualität pauschal zur Esoterik zu degradieren versuchen.

Manchmal trennt sie nur ein schmaler Grat von den Verschwörungstheoretikern unserer Zeit.

Gene und Epigenetik und selbsterfüllende Prophezeiung

Die ursprünglich gültige Genetik ist ein weiteres Beispiel einer Relativierung. Heute ist es bekannt, dass eine erbliche Vorbelastung nicht zwangsläufig zum Ausbruch der Krankheit führen muss.

Die Epigenetik [*] lässt daher den Menschen ruhiger leben, der aus einer erblich vorbelasteten Familie stammt. Denn er weiß, dass nicht alle genetischen Anlagen aktiviert werden müssen. Andererseits heißt das aber, dass eine positive genetische Prädisposition sich ebenfalls nicht zwangsläufig manifestieren muss. Der Mensch einen Einfluss darauf hat, welche genetischen Muster ausgelesen werden. Eine gesunde Lebensweise, sowohl körperlich als auch psychisch kann das steuern. Oder eine schlechte.

Es lohnt, diesen Einfluss bewusst auszuüben. Die selbsterfüllende Prophezeiung lässt sich leicht bestätigen, wenn nur an das Schlechte geglaubt wird.

Glauben heißt nicht wissen – und kann mehr als Wissen sein

Die Hypnose oder die Akupunktur benötigten für ihre Anerkennung eine längere Zeit. Die Epigenetik musste sich auch erst etablieren. Wirkten diese Phänomene vorher nicht, da sie nicht anerkannt waren?

Die Homöopathie wird vehement bekämpft, ihre Anhänger als gutgläubige Menschen belächelt oder der Scharlatanerie bezichtigt. Die Homöopathie sei bestenfalls ein Placebo, heißt es. Doch wissen wir heute, dass ein Arzt eine Placebo-Wirkung auf seine Patienten hat, dass vorgetäuschte Knieoperationen ebenfalls eine heilende Wirkung haben können.

Ein Placebo wirkt ohne Wirkstoffe. In der Homöopathie sind in den höheren Potenzen keine Atome der ursprünglichen Wirksubstanz vorhanden. Aber sie wirkt über ihre Information, die des Ausgangsstoffes nicht benötigt.

Ist es immer relevant, zwischen dem Wissen und dem Glauben zu differenzieren? Wenn ein Mensch hofft, dass ihm ein Mittel oder ein Verfahren eine Linderung und Heilung bringen kann, wird er es anwenden. Auch ohne belegtes Wissen an die Wirkung.

Trotz dieser Erfahrungen mit zunächst bekämpften und belächelten Phänomenen fällt es manchen Menschen schwer, an jahrtausendalte Erfahrungswerte zu glauben, wenn der streng wissenschaftliche Nachweis (noch) fehlt. Diese Menschen müssen erst in Krisen geraten, in denen das Wissen versagt und nur der Glaube an die alten Erfahrungen helfen kann.

In diesen Krisen wissen sie nicht, sie glauben aber. Glauben heißt hier nicht wissen – in einem positiven, bejahenden Sinne. Es ist ein Glaube an wirkendes Geistiges in dieser Welt. Es ist Spiritualität.


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