Jan Norman – Persönliches

Schulzeit

Die Schulzeit war ein Grauen für mich. Nicht aus den üblichen Gründen jedoch, da ich das war, was man einen Streber nennt. Aber.

Den Mannschaftssport mochte ich gar nicht. Die Lösung war jedoch simpel. Ich überließ den Ball dem gegnerischen Team, so wollte mich niemand haben. Nur als Torwart war ich gern gesehen meiner Reflexe wegen. So konnte ich mich oft am Torpfosten anlehnen und meine Bücher lesen.

Aufsätze waren mir eine Freude. Doch die Lehrerin verlangte zunächst eine Gliederung. Das führte zu einem Kampf mit ihr, da ich umgekehrt verfuhr und direkt mit dem Schreiben begann. Als es ihr reichte, gab sie mir eine Sechs. Das konnte ich mit dem Rektor in meinem Sinne klären. Von nun an schrieb ich meine langen Aufsätze, legte sie demonstrativ auf dem Schulbankrand ab, womit ich ihr zeigte, dass ich die Gliederung erst nach dem Schreiben erstelle. Es war ein Kampf mit der Mutterstellvertreterin, weiß ich heute. Die Aufsatznoten dieses Schuljahres faszinieren mich immer noch: 1, 1, 6, 1, 1, 1.

Meine Lieblingsfächer waren Mathematik, Physik, Biologie und Geschichte, doch nur bis die kriegerischen Römer auftauchten. Mathehausaufgaben musste ich keine machen. Mein Lehrer versorgte mich mit anderem Lernstoff, der mir Spaß machte. Er erkannte mein Anderssein.

Da es zu langweilig gewesen wäre, nahm ich meine Unterrichtsgestaltung in die eigene Hand. Bücher lesen, Solitärspiele auf dem Papier, die Natur draußen beobachten, die interessanter war als der Unterricht. Den Stoff für das nächste Schuljahr erarbeitete ich mir mit den Schulbüchern in den Sommerferien. Ein Streber eben.

Das Lesen brachte ich mir vor der Schule bei. Denn die Alten, was für mich alle über 20 waren, wussten nicht so viel und logen gern, wie ich es glaubte. Bis auf Oma und Opa, denen ich vertraute, nebst dem geschriebenen Wort. Heute sind viele Worte auf dem Papier und im Internet zu finden. Doch für sie gilt, Kontrolle ist gut, Paranoia ist besser.

Heute weiß ich um meine Hochbegabung (HB), über diese Episoden kann ich schmunzeln. Mit einer Ausnahme. Zwei Mal sollte ich eine Schulklasse überspringen, meine Eltern waren dagegen. Ihre Gründe nannten sie mir nicht. Darüber regt sich mein inneres Kind immer noch gehörig auf.

Das ist der Hauptgrund, warum ich die Schulzeit mit Grauen verknüpfe.

Trainer

Eine der häufigsten Fragen: »Wie konntest du Trainer werden mit deinem Asperger?«

Gerade deswegen bin ich es geworden. Es ist ein optimaler Kompromiss zwischen dem Wunsch, mit Menschen zu arbeiten und der für mich erforderlichen Distanz.

Ich saß nicht auf meinem Stuhl, ich ging lieber umher. Wurde mir die Nähe zu viel, konnte ich mich mit meinem Platz vorne retten.
Obendrein durfte ich reden, was ich ebenso gern mache wie schreiben. Von Berufs wegen musste ich sogar reden.

Vor der Zeit als selbstständiger Trainer übte ich technologieorientierte Berufe aus. Als Kybernetiker ausgebildet, wechselte ich in die IT, an der mich die Logik faszinierte. Ich begann als Softwareentwickler, wurde Systemadministrator und Projektleiter. Meine Selbstständigkeit begann ich als IT-Trainer und Berater.

Zunehmend wendete ich mich den Menschen zu: Bewerbungscoaching, Präsentationstechniken, Rhetorik, Prüfungsängste, private Arbeitsvermittlung oder Coaching für Arbeitssuchende. Wiedereingliederungs- und Resozialisierungsmaßnahmen waren ebenfalls dabei.

Außerdem begann ich mit dem Ghostwriting.

Probleme

Bereits in den ersten 4 Jahren bei den Großeltern lernte ich, den anderen nicht alles zu erzählen. Bei bestimmter Musik sah ich dynamische Farbmuster und erzählte davon. Die Großeltern sahen sie nicht, hatten damit aber keine Probleme. Nachdem ich jedoch von Fremden über mich hörte: »Der gehört in die Klapse«, behielt ich dies für mich. Dies ist Synästhesie, keine Erkrankung.

Seit der Schulzeit festigte sich der Verdacht, es stimme etwas nicht mit mir. Spätere medizinische Untersuchungen und eine psychologische Therapie brachten die Gewissheit. Asperger-Syndrom, mit dem ich jedoch gut umgehen kann. ADS+H ist ADS mit einem Schwerpunkt auf Hyperaktivität; nicht ohne Grund gaben mir die Großeltern den Spitznamen Helikopter. HSP meint die Hochsensibilität beim Gehör, dem Dämmerungssehen und im taktilen Bereich. All das meistere ich jedoch mit der HB, die vor einigen Jahren attestiert wurde.

Die vielen Probleme in meinem Leben begleiteten mich nicht trotz, sondern wegen der nicht erkannten und nicht integrierten HB. Im Berufsleben gehörten die vielen Wechsel dazu, obwohl ich doch erfolgreich war. Ich suchte nach dem richtigen Beruf, nach meinem Platz im Leben.

Nicht erkannte oder unterdrückte HB kann das Leben massiv behindern. Einem Fluch gleicht sie dann eher, denn einem Geschenk.
So erlebte ich einen Burn-out, der mein Angestelltendasein beendete, ging durch eine berufliche Insolvenz, lebte mehrere Jahre mit einer Depression, eineinhalb Jahre davon in einem Gartenhaus. Meine psychotherapeutische Ausbildung mit Selbsterfahrung sowie die eigene Therapie erwiesen sich als Basis für die Lösung meiner Probleme.

Kindergärten

Warum ich für die Kinder in Kindergärten Veranstaltungen gab? Weil diese Kinder noch ehrlich sind und direkte Fragen stellen.

Ich brachte ihnen den Sternenhimmel nahe. Damals waren die Dinosaurier aktuell, so gehörten sie zum Repertoire nebst anderen sie faszinierenden Tieren. Beliebt waren Ratespiele mit Tierdias und den unpassenden Stimmen dazu, bis die zutreffende kam.

Köstlich finde ich die Antwort einer Seniorin, wie ich die Kinder im Vorschuljahr nannte. Woher wisse sie das alles, wollte ich wissen. Sie steht auf, sieht mich an und sagt: »Was glaubst du, Herr Schneider, ich denke doch.« Ich hoffe, sie blieb sich treu.

Außerdem musste ich nicht auf einem Stuhl sitzen, ich bevorzugte den Boden. Eine Wohltat für mich.

Stühle

Stühle bleiben ein Gräuel, ergo auch jegliche Feierlichkeiten, bei denen man brav sitzen muss. Ich blieb der Helikopter. Mein neuer Clan kennt die Gründe und nimmt mich so an. Mit Vorteilen für beide Seiten, da ich mich gern anbiete, wenn es etwas zu holen gibt.

Nun freue ich mich, da die ersten Enkel lieber umherlaufen, statt auf einem Stuhl zu sitzen. Ich beginne damit, ihnen von der Welt zu erzählen. Über den Mars solle ich jedoch nicht reden, da die Mutter meint, ihr Sohn könne fliegen, wohin er wolle. Aber nicht auf den Mars, er solle auf der Erde bleiben. Ich bin mir sicher, es kommen weitere für die Eltern suspekte Themen hinzu.

Werde ich gefragt, besonders wenn es Kinder sind, mag ich keine ausweichenden Antworten geben. Ich mag nicht einer der Alten über 20 sein, der lieber unzutreffendes Zeug von sich gibt, statt sein Unwissen zuzugeben. In solchen Fällen kann man in Büchern nachschlagen, auch im Internet kann man Brauchbares finden.

Aber die Stühle. Ich drohe dem Typen, der Stühle erfand. Wenn ich ihn zu fassen bekomme, fessele ich ihn an eines dieser Folterinstrumente, auf dass er bis ans Ende der Zeiten sitzen muss. Gut, für die Erde sind das maximal an die 4 Milliarden Jahre; für den Typen dürfte das reichen.

Womit das nur der Typ mit dem Pferdefuß sein kann.

Pferdefüße

Einige Pferdefüße gehen wohl mit der HB einher. Auffällig ist mein miserables räumliches Vorstellungsvermögen. Architekt, ein Beruf, der in meinem neuen Clan vertreten ist, ist undenkbar für mich. Mein Orientierungssinn in Städten spottet jeder Beschreibung. In Wäldern hingegen verliere ich mich nicht.

»Du kannst nicht lügen, das merkt man dir sofort an.« Ein Satz der Ursprungssippe, dessen Intention ich jahrelang nicht erfasste. Es ist die Asperger-Symptomatik, es ist mein Naturell, es sind meine Erfahrungen mit den Alten über 20 aus meiner Kindheit. Das führt zu Problemen mit dem Umfeld; ändern kann ich das dennoch nicht.

Ein weiterer Pferdefuß ist das Erfassen der Anzahl der Striche bei den Buchstaben n und m sowie bei weiteren Zeichen im kyrillischen Alphabet, welches mehr solcher Glyphen aufweist. Ich schreibe täglich mit der Hand (nur deutsch, falls jemand fragt), da die ersten Texte so am kreativsten sind. Dennoch bleiben die Probleme mit diesen Buchstaben.

Manche Pferdefüße finde ich amüsant; mit einem gelingt mir das nicht. Zu den Diagnosen gehört noch eine komplexe Traumatisierung in der Kindheit. Eine der Folgen ist ein grundsätzliches Misstrauen, welches das Zusammenleben behindert. Lediglich eine Handvoll Menschen fallen mir ein, denen ich vertrauen konnte oder kann. Mit diesem Misstrauen zu leben, stellt für mich eine Herausforderung dar.

Nicht diplomatisch

Schwerwiegend ist der Pferdefuß mit meiner mangelnden Diplomatie, wie dies meine Ursprungssippe nannte. Ein aktuelles Beispiel dazu.

Ich mag Deutsch, ich mag auch Russisch. Es ist für mich eine weiche, melodische Sprache. Durch die aktuelle Situation griff mich jemand an und erwartete eine Antwort, für welche Seite ich stehe. Ich antwortete mit einem Zitat: »Die Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann, ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen.« Daraufhin verstärkte er den verbalen Angriff. Erst dann konfrontierte ich ihn mit der Quelle des Zitats: Helmut Schmidt. Ich wusste nämlich um seine Sympathien für diesen Politiker.

Ich gebe zu, es ist kein feiner Zug meinerseits und eine unsaubere Argumentation. Vergleichbares »passiert« mir öfter, wenn jemand undifferenziert redet. In solchen Situationen bin ich oft direkt statt diplomatisch, wenn ich darin eine Chance sehe, mein Gegenüber zu verunsichern und so zum Nachdenken zu bewegen.

Nicht diplomatisch oder nicht sozial, auch das hörte ich. Solange nicht asozial, lernte ich, dies zu akzeptieren.

Namen

Ich lebte bis kurz vor dem 20. Geburtstag in Schlesien, heute Polen. Dadurch habe ich weitere Namensvarianten anzubieten: Krystian, Sznajder, einige Jahre lang hieß ich Krawietz (polnisch Schneider). Wem Lenny Kravitz in den Sinn kommt, liegt damit ziemlich richtig.

Warum aber die letzten beiden Namensänderungen? Christian entließ ich, der bereitete mir zu viel Ärger im Leben. Schneider genügte ebenso nicht, so schickte ich ihn in den vorzeitigen Ruhestand.

Die wahren Gründe sind anhand dieser persönlichen Texte offenbar, hoffe ich.

Augsburg

Nach Augsburg zog ich um, da ich hier gemeinsam mit drei Teilnehmerinnen aus der Psychotherapiegruppe eine Beratung aufbauen wollte. Geblieben ist nur eine.

Außerdem bewarb ich mich um eine IT-Stelle in einem großen Unternehmen. Hätte etwas werden können, erfuhr ich im Nachhinein. Typisch für meine Vorstellungsgespräche jedoch. Ich suchte nach Optimierungsmöglichkeiten, hatte alsbald Ideen parat, redete offen, wohl auch viel. So endete das mit der mir bekannten Frage danach, wann ich an dem Stuhl des Chefs säge.

Mit den Stühlen habe ich eindeutig Probleme.

Ein Faible hingegen habe ich für alte Städte mit Sakralbauten. Ich mag Bleiglasfenster, besuche gern Kirchen oder Kapellen, wenn es still in ihnen ist. Augsburg hat das zu bieten, auch die einnehmende Schnörkellosigkeit der Moritzkirche. Ich mag es nur nicht, wenn Trier für sich in Anspruch nimmt, älter zu sein. Das soll nicht heißen, ich will nochmals umziehen. Sollen doch die Trierer glauben, was sie wollen.

Des Sternenhimmels wegen muss ich ohnehin im Süden bleiben. Im Norden sind die Sommernächte zu kurz und zu hell, die Milchstraße und die Deep-Sky-Objekte steigen nicht so hoch hinauf. Was Bleiglasfenster in Kirchen sind, ist der Nachthimmel in der Natur für mich.

Augsburg mit der langen Zeit seit 2010 unter einer Adresse stellt ein Novum dar, wenn man meine 22 Anschriften davor bedenkt. Hier biete ich mit meiner Partnerin psychotherapeutisch orientierte Beratung und Coaching an.

Schreiben

So konnte ich mich erst in Augsburg und im reifen Alter meiner Passion widmen, die da Schreiben heißt.

Ich hoffe, ich kann mit dem Schreiben einigen Menschen Mut machen, eigene Lebenswege zu beschreiten und eigene Ansichten zu vertreten, auch wenn das dem Geist der Ursprungssippe widerspricht, der Religion, der politischen Gesinnung oder dem Mainstream. Wovon das Herz oder die Seele überzeugt ist, muss man vertreten dürfen.

Ich hoffe ebenso, ich kann so einigen Menschen Mut machen, Beziehungen einzugehen und an ihnen zu arbeiten. »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei …«, heißt es in der Bibel.

Beachte ich jedoch das Ende dieses Zitats »… ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei«, muss ich diesen männlich pervertierten Sichtweisen widersprechen. Zu lange sorgten sie für Probleme, um es jetzt mal diplomatisch zu formulieren.