Kelten, Christentum und Toleranz

Spiritualität – ihre und unsere Wurzeln; Teil 4

Die Universalität der Spiritualität, die keine Kulturen, Religionen oder Hautfarben kennt, hat in unserer polaren Welt unterschiedliche Zugänge. Und so verläuft unsere spirituelle Entwicklung auf ebenfalls sehr unterschiedlichen Wegen. Manche Wege werden mit der Zeit vergessen, manche durch neuere ersetzt. Manche Wege verlaufen gerade, manche gleichen Serpentinen.

Dennoch führen sie alle zu ein und demselben Ziel, zu unserer spirituellen Heimat, die noch sehr fern ist und viele Inkarnationen erfordert, bis wir uns ihr wirklich nähern. Diese unterschiedlichen Wege sind Herausforderung und Chance zugleich. Als eine Chance nutzen wir sie, wenn wir uns in Toleranz den anderen Wegen gegenüber üben.

Leichter und schneller schreiten wir voran, wenn wir solide Wurzeln haben; entweder von Beginn unseres Lebens an oder erst später, indem wir an eigenen Wurzeln arbeiten. So oder so jedoch: Diese Wurzeln sind individuell und es gibt dabei heimische Wurzeln, die das spirituelle Wachstum erleichtern und eine Quelle tiefer innerer Freude sind, sofern das Leben der Spiritualität nicht aus einem äußeren Zwang heraus erfolgt, sondern aus einer inneren Überzeugung und Sehnsucht.

Spiritualität und Toleranz

Überzeugung und Sehnsucht also und nicht ein Zwang kennzeichnen eine lebendige und gelebte Spiritualität aus. Soweit ist die Menschheit leider noch nicht, sie ist erst auf dem Weg zu einer freien Spiritualität hin. Es existieren noch sehr viele Zwänge auf dieser Welt. Nicht nur die globalen Zwänge eines Religionssystems oder einer religiösen Institution, sondern auch die Zwänge innerhalb einer Familie oder gesellschaftlicher Gruppen.

Es wäre allerdings weder dienlich noch spirituell, darüber zu klagen. Nicht auf einem Lernort der Seelen, welcher nun mal die Erde ist. Viel besser ist es stattdessen, sich seiner individuellen Zugänge zur Spiritualität zu besinnen und sie zu leben. Auch – oder besonders – inmitten des Alltags.

Bevor wir uns den keltischen Wurzeln zuwenden, ist es mir sehr wichtig, auf die praktische Seite der Toleranz hinzuweisen, die eine besondere Voraussetzung für spirituelles Leben darstellt und ein besonders Merkmal der gelebten Spiritualität ist.

Gott will es? Gottes Wille und des Menschen Lernen

Spiritualität lebt kein Mensch, der befolgt, was ihm sein Zugang nahelegt. Spiritualität lebt er erst dann, wenn er andere spirituelle Zugänge und ihre Anhänger akzeptiert, anstatt sie zu verurteilen, zu bekämpfen oder nach ihrer Vernichtung zu trachten. Kein Gott will das, kein Gott wollte das, auch nicht der christliche Gott der Kreuzfahrer. Er war nicht der Urheber des Satzes »Gott will es«. Menschen waren es, die damit Mord, Schändungen und Plünderungen zu rechtfertigen versuchten.

Die Urheber waren die Menschen. Nicht so die Kreuzfahrer selbst, sondern die wenigen Menschen, die damals die weltliche Macht innehatten, und sie mit einer Spiritualität verwechselten oder sie aus machtpolitischen Gründen als Spiritualität darstellten. Andere Menschen glaubten daran und ließen sich dafür einspannen. Oder sie nutzten es ebenfalls im egoistischen Sinne.

Verurteilen wir jedoch niemanden, wir wanderten nicht in ihren Schuhen. Wer an Inkarnationen glaubt, muss vorsichtig mit Verurteilungen sein. Er könnte seine eigene Seele verurteilen, die damals auf der Erde weilte.

Es haben noch nicht alle Christen durch diese unrühmliche und intolerante Geschichte gelernt, das Lernen dauert noch an. Diese alten Wege der Intoleranz dürfen wir aber nicht mehr gehen. Es ist Zeit, dass wir Spiritualität von innen und aus der Liebe heraus lernen, deren ein sichtbarer und gelebter Ausdruck die Toleranz ist.

Toleranz ist spirituelle Reife

Menschlich, allzu menschlich jedoch, wenn wir den spirituellen Zugang eines Kulturkreises stärker mögen, einen anderen aber weniger oder gar nicht. Ebenso natürlich, wenn wir mehrere Zugänge interessant finden, wenn sie uns ansprechen.

Vielleicht gehen diese Vorlieben soweit, dass wir Rituale mehrerer Kulturkreise in unserem Leben ausüben? Immer vorausgesetzt, dass unsere Rituale ethischer Natur sind und keinen Schaden für andere zum Zweck haben: Wer könnte uns diese Verbindung der Welten verbieten? Mit welchen Argumenten?

Ein solches Verbinden ist Toleranz, ist spirituelle Reife, ist einfach Spiritualität. Toleranz ist ein Ausdruck unserer Reife, die sich ihren Weg von innen nach außen bannt und auch anderen Menschen unserer Umgebung Mut dazu geben kann, ebenfalls ihre eigenen Wege zu gehen.

Mit der fortschreitenden spirituellen Reife befreien wir uns immer mehr von den äußeren Zwängen der Menschen und Institutionen, die uns vorgeben wollen, welche Spiritualität oder welche Religion die einzig wahre sei. Und wir werden dadurch toleranter anderen spirituellen Lebensweisen gegenüber.

Ritualvielfalt als spirituelle und karmische Arbeit

Die Befreiung von institutionell-religiösen Zwängen, die daraus resultierende Toleranz und im Ergebnis eine echte und gelebte Spiritualität kann in uns in diesem Leben entstanden sein. Doch können ihre Wurzeln noch weiter in die Vergangenheit reichen: in die früheren Leben.

Die Gründe für eine Wertschätzung des eigenen Kulturkreises bei gleichzeitigen Sympathien oder Vorlieben für andere Kulturkreise und andere spirituelle Zugänge können bereits in unsere Seele angelegt sein. Besonders dann, wenn wir eine innere Kenntnis des Anderen haben, wenn wir uns diese Sympathien nicht nur durch in diesem Leben erworbenes Wissen angeeignet haben.

Wenn unsere Seele in ihren früheren Inkarnationen mit indianischer, buddhistischer, islamischer, jüdischer, indischer, afrikanischer, altgriechischer, ägyptischer, persischer, syrischer, chinesischer, japanischer, atlantischer oder weiß der Kuckuck, Pardon, die Seele, welcher Kultur und Religion noch lebte, so hat die Seele die Erinnerungen daran behalten. Sie vergisst nicht, sie offenbart nur nicht alles und sofort.

Je mehr Kulturen und Religionen wir über die Leben hinweg kennenlernen, umso selbstverständlicher die Verbindung von Kulturen, Religionen und Ritualen. Umso selbstverständlicher die Toleranz, umso leichter das Leben der Spiritualität von innen heraus, aus unserer Seele.

Umso weniger anfällig für die Zwänge äußerer Systeme und Institutionen. Umso bewusster der gefährliche Irrsinn des Beharrens auf die einzig wahre Spiritualität und auf den einzig wahren Gott, wenn dies mit Intoleranz, mit Strafen und mit Ängsten verbunden ist.

Eine innere Toleranz ist eine karmische Arbeit an der Einheit der Menschheit, durch die wir auch daran arbeiten, dass nicht nur unsere Wege in die spirituelle Heimat zurück immer direkter und lichter werden.

Über Rituale s. auch Beitrag in „Visionen“: Rituale und Lebenswenden …

Christentum und Kelten – anders und doch wieder nicht

Wenden wir uns nun den keltischen Wurzeln unserer Spiritualität zu, die nicht verloren gegangen sind in der dunklen Zeit des intoleranten Christentums, als es sich auf den Abwegen befand.

Sowohl die Kelten als auch das Christentum bilden heute unsere Wurzeln des spirituellen Lebens und unseres Alltags. Diese Wurzeln existieren und wirken, auch wenn sie nicht bewusst sein sollten. Das bewusste Leben dieser Wurzeln, ihr Einbeziehen in das Leben gestaltet unser Leben leichter, liebevoller und lichter, denn es sind heimischen Wurzeln, wodurch sie authentisch und kraftvoll wirken.

Wer diese Wurzel leugnet oder gar bekämpft, schadet sich selbst. Er sägt an dem Ast, auf dem er sitzt. Der zwangsläufige Fall ist zunächst schmerzhaft. Und dennoch bedeutet dieser Fall den Kontakt mit der Erde – die Erdung. Und dem Baum schadet der Verlust eines Astes nicht.

Es lohnt, sich diesen Wurzeln zu öffnen, ob sie christlicher, keltischer oder anderer Natur sind. Sie stärken die Seele und den Menschen, sie bilden die alltägliche Basis, auf der die alltägliche Spiritualität gedeihen kann.

In diesem Geiste – mir dieser spirituellen Einstellung – wollen wir uns in den Folgebeiträgen unserem keltischen Erbe zuwenden (z. B. dem Maibaum und seiner Symbolik).

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