Bono gibt es nicht mehr

Wer meinen Newsletter etwas länger bezieht, könnte von Bono erfahren haben. Nicht der U2-Sänger ist damit gemeint, sondern der Labrador, mit dem ich unterwegs war und viele der Bilder der Woche dabei machte. In den über 14 Jahren waren es viele Kilometer, die wir gemeinsam zurücklegten.

Dies gibt es nicht mehr. Bono gibt es nicht mehr.

Bono wäre ein Familienmitglied, hieß es von anderen. Wir konnten es bejahen. Die ersten Jahre klang dies manchmal seltsam für mich, doch mit der Zeit bin ich »auf den Hund gekommen«, in dem Sinne, wie es Monika meinte.

Heute finde ich nichts Seltsames an dem Wort Familienmitglied bezogen auf Bono. Heute ist es eine Leere und ein Fehlen.

Es sind die Impulse, die sich im Alltag immer wieder manifestieren. Kurz nur, denn die Abwesenheit Bonos wird sofort wieder bewusst. Wenn ich jedoch den Alltag lebe, wenn ich mit den Gedanken abschweife, sind die Impulse da. Es bleibt bei den Impulsen, denn der Auslöser fehlt. Endgültig.

Die Begrüßung nach dem Aufwachen. Immer gut gelaunt, immer das Schwänzeln und das manchmal lästige Betteln um das erste Leckerchen. Das ungeduldige Warten vor dem Bad, bis ich meine Katzenwäsche beende. Mehr kommt später, nach dem Morgenlauf. Die wilde Ungeduld, bis der Wasserkocher nicht mehr rauscht und ich mein Glas mit dem warmen Wasser ausgetrunken habe.

Und dann hinaus. Schlechtes Wetter, Hundewetter? Dies gehört nicht zu der Erfahrungswelt eines Hundes, zumindest nicht Bonos. Wenn du nass wirst, schüttelst dich ab und gut ist, würde er wohl zu mir sagen, wollte ich ihn auf das schlechte Wetter hinweisen.

Sie tun gut, die ersten Schritte, sie vertreiben den Rest der Müdigkeit, obwohl ich eigentlich weniger Probleme damit habe. Eine Lerche eben. Zwei, drei Kilometer sind es am Morgen schon. Schließlich sind Bono und ich recht lauffreudig. An den Samstagen können es mehr werden. Viel mehr sogar, unsere Rekordstrecken entsprechen einem Halbmarathon.

Danach das Herumtanzen um mich herum, bis Bono über seinen Futternapf herfallen kann. Ich konnte gerade das Wasser für den Kaffee aufsetzen, Bono war wieder da. Ein Labrador eben. Immer erzählte er, er sei hungrig, ach was, er sei am Verhungern, schließlich habe er noch nichts gegessen. Da gab es eben in den letzten Jahren einen Klebeschinken, wie wir das nannten. Er bekam einige Nahrungsergänzungsmittel, die in ein kleines Stückchen Räucherschinken eingewickelt werden mussten, sonst spuckte er sie aus.

Jeder Gang in die Küche erfolgte in Begleitung. Küche? Da könnte es etwas zum Essen geben, wenn da jemand hineingeht. Also mit in die Küche, die Augen auf Mitleid stellen, vorsichtshalber ein wenig schnaufen, damit der Mensch unbedingt den großen Hunger bemerkt. Meine Anmerkungen zu ihm, deine Augen seien nur Evolution, mit der du all das Mitleidheischen lerntest, interessieren ihn nicht. Entscheidend ist nur eines: Bekomme ich ein Leckerchen. Oder mehr?

Von der Evolution erzählte ich ihm allerdings nichts mehr, wenn ich ein Wehwehchen hatte, und mich hinlegte. Sofort war Bono da und legte sich in meiner Nähe hin. Hier war kein Betteln ums Futter mehr angesagt. Er merkte es, wenn es jemandem schlecht ging, wenn jemand niedergeschlagen war.

Die Impulse bleiben, die Leere bleibt. Keine Begrüßung beim Betreten des Hauses, keine Assistenz in die Küche, kein Toben im Garten, keine Vertreibung des inneren Schweinehundes beim Hundewetter.

Keine Kunststücke mit Bono, die er im Laufe der Jahre lernte. Ich gebe zu, es gefiel mir, mit einem klugen Hund spazieren zu gehen. Auch wenn ich in einem Fall ein wenig trickste.

Bono lernte zunächst das Kommando »Seite«. Das war ein Zeichen zum Wechseln der Seite auf dem Weg. Ich versuchte, ihm auch »Links« und »Rechts« beizubringen, womit ich jedoch scheiterte. Fast. Denn mit der Zeit wurden die Kommandos Links und Rechts zu Synonymen für Seite. Waren Menschen in der Nähe, benutze ich statt Seite die Kommandos Links oder Rechts. Ging Bono rechts, hieß es Links – und vice versa. Oft bemerkte ich das Staunen der anderen, da der Hund die Seiten kannte.

Seine stoische Ruhe imponierte mir, wenn ein kleiner Hund ihn ankläffte und Bono keine Notiz davon nahm. Nur bei weißen Hunden, roten Katzen oder bei Eichhörnchen, ob rot oder schwarz, verlor er seinen Stoizismus.

Es gäbe viel mehr über Bono zu berichten. Der Text hätte zu viele Seiten, würde ich mehr Erinnerungen aufschreiben.

Die Erinnerungen sind nicht unbedingt das, was aktuell wehtut. Sie waren schon zu seinen Lebzeiten da.

Es sind die Impulse bevor es mir bewusst wird, dass es Bono nicht mehr gibt. Bleiben Brösel übrig, ist der Impuls da, sie in seinen Futternapf zu schütten. Er liebte sie, er schleckte den Napf nicht leer, sondern sauber. Beim Einkaufen der Anblick von Karotten, Gurken, Joghurt oder Klebeschinken die Frage, ob es noch genug davon zu Hause gibt. Das liebte er. Es bleibt aber bei dem Impuls.

Wie lange diese Impulse auftauchen, weiß ich nicht. Ich nehme jedoch häufiger wahr, wenn ich gedankenverloren oder im Alltagsritualmodus lebe. Hier tauchen die Impulse häufiger auf, die folgende Erkenntnis der Leere bringt mich wieder in den Alltag zurück.

Ich habe einiges mit Bono gelernt, wofür ich ihm dankbar bin. Will er mir noch etwas beibringen? Meine Gedankenreisen aus dem Alltag hinaus begleiten mich, seit ich mich erinnern kann. Ich mag sie, ich behalte sie. Manchmal fragt mich aber Monika »Wo warst du wieder?«. Es gibt hin und wieder Situationen, in denen ich eher im Hier und Jetzt sein sollte.

Bringt mir das Bono über seinen Tod hinaus bei?

Das 388. Bild der Woche (ganz oben) entstand wenige Tage vor seinem Abschied. Wir sahen ihm sein Alter nicht an, welches auf Menschenjahre umgerechnet, bei 100 liegen dürfte.

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