Spiritualität und Toleranz

Teil 2 der Reihe »Denn jedem Lebewesen wohnt eine Seele inne«

Im ersten Beitrag wurde angedeutet, dass nicht nur ausnahmslos alle Menschen eine Seele haben oder eine Seele sind, sondern dass auch den Mitgeschöpfen eine Seele innewohnt. Bei den Mitgeschöpfen denken wir vermutlich an die Tierwelt. Muss die Grenze so gezogen werden? Was ist mit der Pflanzenwelt?

Von Menschen und Pflanzen

Seit wenigen Jahrzehnten untersucht die Pflanzenneurobiologie die Interaktionen zwischen den Pflanzen untereinander und ihrer Umwelt. Primär handelt es sich dabei um einen Informationsaustausch oder etwas technischer ausgedrückt, um die Signalverarbeitung bei den Pflanzen.

Der Name dieses Forschungszweigs lässt aufhorchen, da darin die Neurobiologie enthalten ist. Neurobiologie beschäftigt sich mit dem menschlichen Nervensystem, mit seinem Aufbau und seiner Funktionsweise, wodurch Berührungspunkte mit der menschlichen Wahrnehmung entstehen. Wahrnehmung?! Ist nicht die Wahrnehmung eine Voraussetzung für ein Bewusstsein? Sollten dann Pflanzen ein Bewusstsein haben, da ihre Wahrnehmung untersucht wird?!

Wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt, so stellt sich zwangsläufig die Frage danach, ob Pflanzen Lebewesen sind, wenn sie denn Wahrnehmungsfähigkeiten haben sollten. Nicht weiter verwunderlich daher, dass dieses Thema sehr kontrovers diskutiert wird. Dass manche dieser Diskussionen eher verbalen Kreuzzügen gleichen oder versuchen, die andere Seite der Lächerlichkeit preiszugeben. Schade. Sehr schade.

Ebenso kontroverse Meinungen kann es geben, wenn Allesesser (klingt doch etwas angenehmer als Allesfresser) und Vegetarier oder Veganer aufeinandertreffen. Bevor wir uns daher in Betrachtungen über die Seele in allen Lebewesen vertiefen, scheint es angebracht, einige Sätze über die Toleranz und den Dialog zu schreiben.

Toleranz

Es hilft niemandem und es hilft keiner Seite, gegen die andere Seite vorzugehen. Unterschiedliche Meinungen gehören zu der Natur des Menschen. Sie sind keinesfalls negativ. Erst die Unfähigkeit oder der Unwille, mit anderen Meinungen zu leben, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, führt zu Problemen, zum Leid, zu Kriegen. Nicht »Gott will es«, der Mensch will es und tut es so. Er kann nicht seine Verantwortung dafür auf einen der einzig wahren Götter schieben.

Gegen etwas zu arbeiten, heißt im Endeffekt, dafür zu arbeiten, denn dadurch wird dem, was bekämpft wird, nur zusätzliche Energie zuteil. Außerdem besteht die Gefahr eines Tunnelblicks oder zeitgemäßer ausgedrückt, der Echokammern und Filterblasen. Das verhindert neue Erkenntnisse, das verhindert auch Problemlösungen, die in einer geänderten Sichtweise liegen.

Beispiel Psychosomatik und Epigenetik

»Ich sehe das so, du siehst es anders.« Die Zukunft wird zeigen, welche Meinung näher an dem war, was der Wahrheit entspricht. Diese Wahrheit wird nicht selten eine Synthese beider Meinungen sein. In manchen Fällen stellt sich heraus, dass beide Meinungen korrekt sind.

Beispiel Psychosomatik. Man kann sie verneinen, denn alles geschehe auf der Ebene der Botenstoffe, der Hormone etc. Warum dies manchmal nicht der Norm entspreche, sei das Ergebnis anderer Vorgänge im Körper, die ebenfalls vermessen werden können.

Eine zulässige Sichtweise und eine nachweisbare. Aber eine unvollständige.

Sie ist ebenso unvollständig wie die Beschränkung auf messbare Phänomene. Ob wir sie psychisch, geistig oder spirituell nennen, ist nicht relevant. Was in einem Teil des Menschen wirkt, hat Auswirkungen in den anderen. Diese Teile sind Körper, Seele, Geist.

Durch die Epigenetik [1] ist inzwischen nachgewiesen, dass die Lebensumstände, die Erlebnisse der Mutter etc. körperliche Auswirkungen haben können. Dennoch ist der Mensch kein Sklave der Gene, der Mütter oder anderer Umstände, der Mensch ist ihnen nicht ausgeliefert. Niemand muss einer Sucht verfallen oder an Krebs erkranken, weil dies im Genpool der Eltern oder anderer Ahnen angelegt ist. Diese Information ist zwar vorhanden, sie muss jedoch nicht abgerufen werden und in Krankheiten oder störenden Verhaltensweisen münden.

Äußerer und innerer Dialog

Die Psychosomatik und die Epigenetik dokumentieren, dass ein Dialog zwischen unterschiedlichen Meinungen sinnvoll ist. Dass es sinnvoll ist, nicht die andere Meinung zu verdammen, sondern nach dem Verbindenden zu suchen, wodurch ein vollständigeres Bild entsteht.

Also einen Dialog zu führen. Dieser Dialog kann auch innerlich stattfinden, indem der Mensch sich selbst die anderen Meinungen anhört und überprüft. So wird sein Horizont nicht eingeengt, sondern erweitert.

Den Dialog zwischen der körperlichen und der geistigen Ebene führt die Natur ohnehin. Eine Störung im Menschen manifestiert sich nicht nur auf einer einzigen Ebene, sondern auf allen. Es können dabei noch weitere Ebenen beteiligt sein, als die körperliche und die psychische. Sie sind auch dann beteiligt und miteinander verwoben, wenn wir von deren Existenz noch nicht wissen oder deren Existenz verleugnen.

Gelebte Spiritualität

Ein Dialog, sogar wenn es ausschließlich ein innerer Dialog sein sollte, erweitert die eigenen Horizonte und sorgt für eine Entspannung in den äußeren Dialogen. Eine tolerante Haltung Menschen gegenüber, die eine abweichende Meinung vertreten, bringt die Chance mit sich, den Keim der eigenen Ideen in dem Menschen aufgehen zu lassen.

Ein Streit oder ein Bekämpfen der anderen Meinung ruft Widerstand hervor und verhärtet die Fronten. Noch drastischer enden die Versuche, jemandem eine Meinung aufzwingen zu wollen, was bei bestimmten Machtverhältnissen leider immer noch geschieht.

Wesentlich mehr erreicht ein Mensch, vor allem für sich selbst, wenn er seine Energien nicht in Kämpfen gegen etwas vergeudet. Wenn er sich stattdessen für etwas einsetzt. Wenn er etwas vorlebt und somit ein Beispiel gibt. Vorgelebte Beispiele wirken. Und sind gelebte Spiritualität.

Menschen, Tiere, Pflanzen, Gaia …

Eine solche tolerante Haltung ist nicht nur eine wirkende, sondern ebenfalls eine spirituelle. Sie ist angebracht, wenn wir uns nun der Beseeltheit der Lebewesen zuwenden und nicht davor scheuen, sogar die Pflanzen in diese Überlegungen miteinbeziehen.

Wenn die Gaia-Hypothese eine Rolle spielen wird, wenn es um die vegetarische oder vegane Ernährungs- bzw. Lebensweise gehen wird. Wenn die menschliche Entwicklung betrachtet wird, nicht nur innerhalb einiger Generationen, sondern über viele Inkarnationen hinweg.

Offen und konsequent nachgedacht werden wir mit der Frage nach unserem Verhältnis zu den Pflanzen konfrontiert. Denn Pflanzen sind nicht nur Blumen, die uns erfreuen können, Pflanzen sind auch unsere Nahrung.


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