Denn jedem Lebewesen wohnt eine Seele inne

Erster Beitrag der Reihe »Denn jedem Lebewesen wohnt eine Seele inne«

Der Disput um die Seele ist nur wenig jünger wie der moderne Mensch. Daran nehme ich jetzt nicht teil, ich bin davon überzeugt, dass der Mensch ein Wesen aus Körper, Geist und Seele ist, dass die Seele in jedem Menschen vorhanden ist.

Die Seele in jedem Menschen zu sehen, kann Widersprüche bei denen hervorrufen, die in Menschen wie Hitler, Stalin, Mengele oder Idi Amin seelenlose Wesen sehen. Hier empfehle ich eine Auseinandersetzung mit den Mystikern und ihren Betrachtungen über das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn. Neben der wörtlichen Bedeutung, sehen sie in ihm auch den Lieblingsengel Gottes, den mächtigsten Engel, den Lichtträger – den Luzifer. Luzifer bedeutet Lichtträger, und Luzifer ist die gefallene Seele, die zuletzt den Weg in ihre Heimat zurück bewältigt.

Die Bibel streicht die Seele und die Jungfrau

Widersprüchlich sind ebenfalls die Betrachtungen darüber, ob der Mensch eine Seele hat oder eine Seele ist. In den älteren Bibelübersetzungen ist der Mensch eine lebendige Seele. 1. Mose 2,7, Lutherbibel, 1912: »Und also ward der Mensch eine lebendige Seele«. In der Übersetzung dieser Bibel aus dem Jahr 1984 ist keine Rede mehr von einer Seele: »Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen«.

Die Einheitsübersetzung, die offizielle Bibel der römisch-katholischen Kirche, 1. Mose 2,7 in der Übersetzung 2016/2017: »So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.« Aber die neue Übersetzung hat keine Probleme damit, die Jungfrau durch eine »junge Frau« zu ersetzen.

Es existiert und wirkt, was wissenschaftlich noch nicht bewiesen wurde. Kein Gott hält sich daran, was der Mensch gerade zum Dogma erklärt. Religiöse Institutionen sind kein Synonym für Glaube oder Spiritualität. Die Seele richtet sich nicht danach, was ihr Mensch in einer der Inkarnationen mit seinen Neurosen oder einer aktuellen Correctness für gültig erklärt.

Bewerten und Urteilen am Anfang der Menschheit

Es hatte und hat gute Gründe, einem Menschen bestimmte Eigenschaften zuzuordnen und ihn somit zu bewerten. Dieses Bewerten war eine erfolgreiche Überlebensstrategie. In den Anfangszeiten der Menschheit musste der Mensch auf Anhieb entscheiden, ob ihn ein Tier töten will oder ob er es jagen kann. Oder kurz: abhauen oder zuhauen. Ähnlich verhielt sich das mit dem menschlichen Gegenüber. Die größeren Überlebenschancen hatten der Mensch und der Klan, der in dem Gegenüber zunächst einen Feind witterte, denn einen Freund. Das ist aber lange her.

Den Menschen von Gestern dürfen wir nicht mit den Maßstäben von heute bewerten.  Wir können uns nicht in das damalige Leben hineinversetzen, wir können heute nicht beurteilen, was damals richtig oder falsch war.

Falls es jemand doch danach ist, falls jemand nur »Gutes« gelten lassen will. Er sollte bedenken, dass er ein Nachkomme einer langen Kette von Vorfahren ist, die nicht »gut« waren. Sie hätten sonst nicht überlebt, sie hätten keine Nachkommen.

Das Heute

Das Bewerten anderer Menschen ist ein altes genetisches Programm und nach wie  vor erforderlich. Nicht jeden Menschen können wir riechen. Nicht jeder Mensch ist unser Herzensfreund. Nicht jeder Mensch wünscht uns Gutes.

Doch im Gegensatz zu der menschlichen Vergangenheit stehen uns mehrere Optionen offen, wie wir mit den Menschen umgehen, die wir nicht zu unseren Freunden zählen. Wir haben die Möglichkeit, den Menschen Mensch sein zu lassen, keine hitzigen Diskussionen zu beginnen oder uns in Streitigkeiten zu begeben.

Alle Menschen kommen aus einer gemeinsamen Heimat, alle Menschen streben einem gemeinsamen Ziel zu. Wir haben lange Wege zurückgelegt. Konzepte wie die gewaltfreie Kommunikation, die vegetarische oder vegane Ernährung, die Beschäftigung mit der Spiritualität, mit vorangegangenen Inkarnationen, mit der unsterblichen Seele sind eindeutige Zeugnisse dieser Entwicklung. Es ist nicht relevant, wann die letzten Seelen diese Heimat erreichen.

Der einzelne Mensch und die menschliche Spezies gingen viele Wege und Umwege, machten gute aber auch schmerzvolle Erfahrungen. Vieles wurde als Fehler betrachtet, bis der Mensch sein Lernen darin entdeckte. Wenn ein einzelner Mensch solche verschlungenen Pfade geht, um erst mit der Reife den lichten Pfad immer sicherer zu erkennen, so müssen wir das ebenfalls der Menschheit zugestehen.

Allen Unkenrufen zum Trotz, entgegen so mancher Schwarzmalerei oder Untergangsprophezeiung hat die Menschheit viel gelernt. Der beste Weg, mit dem Pessimismus umzugehen, ist die Konzentration auf das Licht, auf welches sich die Seele und der Mensch hinzubewegen. Letztendlich ist jeder Umweg ein Weg und mit jedem erfolgten Lernen werden die Umwege kürzer und seltener.

Das Morgen der Menschheit

Das Morgen der Menschheit ist entweder ein lichtes oder gar keines. Daran arbeitet jeder Mensch, obwohl er nur ein Mensch inmitten Milliarden anderer ist. Jeder Mensch kann dazu beitragen, dass diese Zukunft auf weniger Umwegen erreicht wird.

Jeder Mensch ging in seiner Vergangenheit grausame Wege, die er heute nicht mehr nachvollziehen kann. Denn es lernte jeder Mensch und jeder Mensch lernt weiter. Und arbeitet so an seinem Morgen und dem Morgen der Menschheit.

Kein Mensch kann aus den Umwegen auf die Wege gestoßen werden, auch nicht durch Ermahnungen, Predigten oder direktere Zwänge. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. Und zu Predigten sagte Alice Miller: »Wenn Menschen Liebe gepredigt wird, lernen sie nicht lieben, sondern predigen.«

Wer bewusst an dem Morgen arbeiten will, wende sich dem Lichten zu. Es darf aber kein naives Licht sein oder ein Licht, welches die Lernarbeit verkürzen sollte. Die Verantwortung für sein Lernen oder das Lernen selbst auf andere abzuwälzen, das ist keine Arbeit am Licht und am Morgen. Das sind Umwege auf den Wegen des Lernens.

Die Seele in jedem Menschen

Wege zu Gott gibt es so viele, wie Atemzüge der Menschenkinder, besagt ein arabisches Sprichwort. Das impliziert, dass sie alle zu Gott führen oder in unsere spirituelle Heimat zurück.

Nicht das Gestern mit den Maßstäben von heute bewerten, hieß es. Und einiges, was im Heute gut und richtig scheint, wird im Morgen grausam oder primitiv sein. Für den Menschen im Morgen wird es unvorstellbar sein, andere Mitgeschöpfe zu verspeisen und sie dazu zu quälen. Es wird kein Patriarchat geben, ebenso kein Matriarchat.

Wenn ein Mensch nicht sympathisch wirkt, ist das eine individuelle Sichtweise auf ihn. Kein Mensch muss sich dieser Sichtweise wegen tadeln oder mit Gewalt versuchen, alle Menschen zu lieben. Wer sich seine Antipathien eingestehen und das Anderssein akzeptieren kann, geht direktere Wege des Lernens, als Menschen, die sich zu einem durch andere aufgezwungenen Gutsein zwingen lassen. Das ist ehrlicher, das bedeutet weniger Umwege des Lernens.

Wer in jedem Menschen eine Seele sehen kann, auch in dem unsympathischen oder dem grausamen, absolvierte ein entscheidendes Lernen. Kein Mensch weiß um die Erfahrungen der anderen Menschen, um seine Prägungen, seine Vorleben. Vor zweieinhalb Jahrtausenden wusste Platon: »Sei gütig, denn alle Menschen, denen du begegnest, kämpfen einen schweren Kampf.« Und wer religiös sein will, muss in jedem Menschen das Gotteskind erkennen, den gefallenen Engel, den ehemaligem Mitbewohner der spirituellen Heimat, zu der ein jeder hin will. Auf den eigenen Wegen, von denen viele nicht nachvollziehbar für andere sind.

Sind alle eigenen Wege für die anderen nachvollziehbar? Gibt es im eigenen Leben keine Wege, die heute unbegreiflich sind?

Unerfahrene Seelen erhöhen sich über andere, unerfahrene Seelen verdrängen ihr altes Lernen auf Umwegen, besonders den grausamen. Unerfahrenen Seelen gelingt es, einem Menschen die Seele abzusprechen.

Aber nicht nur unerfahrene Seelen gehen ihre Umwege.

Die Seele in jedem Lebewesen

Die Seele in jedem Menschen oder in jedem Mitgeschöpf? Unser Rechtssystem hat mit dieser Frage offensichtliche Probleme [*]. Es ist aber besser, sich auf die Ziele zu konzentrieren.

Wer in allen Lebewesen eine Seele sehen kann, lebt diese Überzeugung und weiß um seine Umwege des Lernens. Er lebt das Lichte und weiß, dass das Licht die Dunkelheit vertreibt, nicht umgekehrt. Er weiß, dass er an dem morphischen Feld arbeitet [*], welches den anderen die Umwege beleuchtet und sie schneller zu den Wegen zurückbringt.

Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, anstatt über die Dunkelheit zu klagen. Zünden wir die Kerze in uns an, mit unserem Bewusstsein der Beseeltheit eines jeden Menschen. Eines jeden Tieres oder Mitgeschöpfs.

Ein Satz aus dem apokryphen Thomas-Evangelium soll den Abschluss des ersten Teils bilden: »Spaltet das Holz, ich bin da. Hebt einen Stein auf, und ihr werdet mich dort finden.« Wenn das, was wir Gott nennen, sogar darin zu finden ist, wie sollte er in einem Menschen fehlen.


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