Hinterfragt: Ohne Liebe; Gedanken zu Worten von Laotse

Texte weiser Menschen erweitern die Gedankenwelt, geben Orientierung. Verzweifelt jemand am Handeln des Menschen, halten sie den Glauben an das Gute der Menschheit aufrecht.

Andererseits: Was oder wer ist weise? Wann entstanden die Texte, haben sie heute noch ihre Gültigkeit oder müssen sie vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte betrachtet werden? Aus welchem Kulturkreis stammen sie, aus welcher Religion? Was ist Liebe, wer definiert sie, wer hat oder wer lebt sie? Es gibt Eltern, die aus Liebe zu ihren Kindern die Kinder in ihrer Entwicklung unterdrücken, da sie sich im Besitz der Liebe wähnten, ergo auch der Wahrheit.

Hinderlich bis gefährlich werden weise Texte, wenn sie zu absoluten Leitlinien erhoben werden. Ein bekannter Name kann dazu verleiten, eine Gruppe, eine Kultur, eine Religion kann einen Zwang ausüben. Es gibt subtile Zwänge, die unerkannt bleiben, die in dem individuellen oder kollektiven Unbewussten, ihre Wirkung entfalten.

In einem Feedback zu meinen Texten erhielt ich einige Worte über die Liebe respektive über das Fehlen der Liebe. Der Text wird Laotse zugeschrieben; hier die Fassung aus der E-Mail:

Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich
Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos
Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart
Wahrheit ohne Liebe macht kritisch
Erziehung ohne Liebe macht widerspruchsvoll
Klugheit ohne Liebe macht gerissen
Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich
Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch
Macht ohne Liebe macht gewalttätig
Ehre ohne Liebe macht hochmütig
Besitz ohne Liebe macht geizig
Glaube ohne Liebe macht fanatisch

Der Betreff der erwähnten E-Mail lautete: »Gedanken zum Nachdenken«. Hier daher meine Reflexionen zu einigen der Sprüche und eine Einladung, die Sprüche und die Reflexionen selbst mutig zu hinterfragen. Mutig meint ohne die aktuellen Zwänge, die es in der aktuellen Zeit zuhauf gibt. Political Correctness muss hinterfragt werden. Sie entspringt nicht einer Ethik, sie ist lediglich der aktuelle Zeitgeist.

Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos

Dazu fällt mir eine Gegenfrage ein: Ist Verantwortung ohne Liebe möglich?

Zunächst dachte ich, Verantwortung impliziere die Liebe. Dann fielen mir jedoch Menschen ein, die eine Verantwortung für andere übernehmen oder nicht abgeben wollen – Eltern beispielsweise, die ihre Kinder nicht loslassen. Und schon habe ich Zweifel, schon habe ich weitere Gedankenarbeit.

Wahrheit ohne Liebe macht kritisch

Das Wort »Wahrheit« verwende ich äußerst sparsam. Wer besitzt die Wahrheit, wer kennt sie denn? Ein jeder Mensch lebt mit seinem Unbewussten, seinen Prägungen, seinen Gruppenzwängen. Ein jeder Mensch hat so seine eigene Weltsicht, seine eigenen Überzeugungen – seine eigene Wahrheit. Und falls damit eine absolute Wahrheit gemeint ist: Wer hat sie? Ein Gott? Welcher von den einzig wahren Göttern?

Ich kenne die Variante: »Wahrhaftigkeit ohne Liebe macht kritisch«. Dem könnte ich leichter zustimmen. Wahrhaftigkeit hat etwas mit der Haltung des Menschen zu tun, nicht mit einem abstrakten und meist missverstandenen und missbrauchten Begriff »Wahrheit«.

Ich stimme nicht dem »kritisch« zu; »kritiksüchtig« finde ich zutreffender, wie es ebenfalls übersetzt wird. Eine unkritische Haltung ist abseits der Liebe. Unkritische Haltung kann von Feigheit zeugen, von der Vogelstraußmentalität, von Verdrängung. Unkritische Haltung schadet dem Unkritischen, sie schadet den Menschen seiner Umgebung. Unkritische Eltern – antiautoritäre Erziehung, das Fehlen jeglicher Grenzen in der Erziehung – erziehen zu sozial problematischen Menschen. Diese Menschen haben Probleme mit der Eingliederung in die sozialen Gefüge.

Heute erleben wir die Folgen der unkritischen Haltung allen (das ist das Wesentliche) Menschen gegenüber, die als Flüchtlinge, respektive Geflüchtete, wie es die Political Correctness haben möchte, nach Europa drängten. Liebe darf nicht mit Blindheit verwechselt werden. Lebte Merkel mit ihrer völlig unkritischen Haltung wahre Liebe vor oder hatte sie mit ihren Sätzen anderes im Sinn? Die Ereignisse spätestens seit den Wahlen in 2017 deuten auf ein Machtstreben und den Machterhalt hin. Geführt hat das zu Brüchen in Deutschland und in Europa.

Die göttliche Agape ist selbstlos und bedingungslos (s. »Eros, Philia und Agape« [*]). Zum Nachdenken: Ist Agape unkritisch? Oder weiß Agape um die Konsequenzen eines jeden Handelns und lässt daher die Menschenkinder ihre Erfahrungen machen? Warum sagt sie dann aber, nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken?

Erziehung ohne Liebe macht widerspruchsvoll

Was ist an Widersprüchen falsch? Menschen, die keine Widersprüche zu haben vorgeben, heißen heute Trump oder Merkel und hießen Hitler (womit ich sie nicht miteinander vergleiche).

Menschen, die sich im Besitz der Liebe wähnen, sind mit suspekt. Menschen ohne Widersprüche hingegen sind mir gefährlich. Sie sind behandlungsbedürftig, leider fehlt ihnen die dazu erforderliche Einsichtsfähigkeit.

Widerspruchsvolle Menschen, also Zweifler und Fragende, finde ich herzlich, menschlich. Es sind lernende Menschen. Sie wissen, dass sie auf dem Weg sind, dass der wichtigste Weg der Weg zur Liebe ist, die da die menschliche Form der Agape ist.

Bewahre uns Gott vor widerspruchslosen Menschen.

Glaube ohne Liebe macht fanatisch – und nochmals »widerspruchsvoll«

Jedes Glaubenssystem hat seine Wahrheit, die da heißt: Mein Gott ist der einzig wahre und ein Gott der Liebe. Diese Systeme haben keine Probleme damit, Liebe mit Rache, Strafe oder Verdammnis zu verknüpfen. Sogar mit ewiger Verdammnis.

Was geschieht heute im Namen des einzig wahren Gottes der Liebe? Was sind die Früchte des Christentums, welches den Besitz des einzig wahren Gottes der Liebe für sich beansprucht? Bei den Kreuzzügen war das Töten der Ungläubigen eine gottgefällige Tat. Hexen wurden im Namen eines Gottes verbrannt. Fragende und Zweifler wurden verstoßen oder ebenfalls getötet. Heute nur noch aus der Kirche des Gottes der Liebe ausgestoßen – welch Fortschritt. Wäre dieser Gott eine Person, würden seine Tränen über die Menschheit zu einer Sintflut 2.0 führen, bei der es keinen Noah mehr gäbe.

Widerspruchsfrei, also kritiklos, sind diejenigen, die einem Glaubenssystem angehören, ohne es zu hinterfragen. Wer hinterfragt, aber keine Konsequenzen zieht, wenn seine Meinung der aktuell vorherrschenden widerspricht, will die Widersprüche nicht sehen.

Wer seine oder andere Widersprüche nicht sehen will, gleichgültig ob aus Bequemlichkeit, aus Angst oder aus neurotischen Gründen, kann der vorhergegangenen Brandmarkung des Widerspruchsvollen zustimmen. Ist das aber Liebe?

Es leben die Widerspruchsvollen, es leben die Kritischen.

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