Teil 3 der Reihe »Sind wir allein im Universum?«
Im Text über die menschlichen Chauvinismen [*] führte ich die Chauvinismen der SETI-Forschung auf. Inzwischen wurden Leben an den den unwirtlichsten Orten der Erde und organische Substanzen im All entdeckt. Die SETI-Chauvinismen fallen nach und nach. Das veranlasste mich dazu, die menschliche Verantwortung für das Leben in einem Beitrag der Mensch-Universum-Reihe stärker hervorzuheben.
Hoffnungslos geringe Wahrscheinlichkeit
Wir kennen nicht alle Voraussetzungen für die Entstehung und die Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde bis zu einer intelligenten Form hin. Was wir jedoch bisher wissen, lässt die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen des Lebens zu einer deprimierend kleinen Zahl schrumpfen.
Mehrere Massenaussterben auf der Erde, in der ein Großteil der Spezies vernichtet wurde. Der Einschlag von Theia, dem der Mond seine Existenz verdankt [2], der aber die Erde hätte zerstören können, wäre Theia nur ein wenig größer gewesen. Die Erde existiert aber und bietet optimale Bedingungen für das Leben auf ihr.
Und nun das sechste Massenaussterben nicht durch Katastrophen irdischen oder kosmischen Ursprungs, sondern durch eine Lebensform, der Erde.
Die äußert geringe Wahrscheinlichkeit für die Entstehung intelligenten Lebens, wird durch diese Katastrophen assistiert und macht den Fortbestand dieses Lebens beinahe zu einem Wunder.
So betrachtet, ist der Glaube nachvollziehbar, wir seien die einzige intelligente Lebensform zumindest in unserer Galaxis. Eine entsetzliche Vorstellung – ein einsames Nichts inmitten der Milliarden von Sternen.
Diese entsetzliche Möglichkeit der kosmischen Einsamkeit ist noch nicht zu einem kollektiven Wissen oder kollektiven Unbewussten der Menschheit geworden. Sie kann das aber werden, vorausgesetzt wir gewähren uns die Zeit dafür.
Spirituelle Verantwortung
Was wären die Folgen dieser kosmischen Einsamkeit der Menschheit? Die Natur- und Geisteswissenschaftler arbeiten an Antworten darauf; obwohl die Kirchen eher an der Argumentation arbeiten, falls es Außerirdische doch gibt. Vom spirituellen Standpunkt aus erwächst daraus eine Verantwortung der Menschheit für ihr Leben und das Leben anderer Spezies dieses Planeten.
Sollten wir der einzige Keim intelligenten Lebens in unserer Galaxis sein: Haben wir dann nicht die Pflicht, dieses so kostbare Leben zu erhalten und uns weiterhin zu entwickeln, anstatt es auszulöschen?
Die Natur ist uns gewogen, sie sorgt für uns, schafft Bedingungen, die es uns ermöglichen, Fragen kosmischen und spirituellen Charakters zu stellen. Die Natur vernichtete uns bisher nicht. Wir dürfen uns ebenfalls nicht auslöschen, denn über technologische Mittel dazu verfügen wir inzwischen.
Unvorstellbar hohe Zahl
Von dieser spirituellen Verantwortung werden wir nicht entbunden, wenn wir eines Tages Signale einer anderen intelligenten Zivilisation empfangen sollten.
Der hoffnungslos geringen Wahrscheinlichkeit intelligenten Lebens können wir einen Fakt und eine unvorstellbar hohe Zahl gegenüberstellen. Der unumstößliche Fakt ist die Menschheit selbst. So unwahrscheinlich das intelligente Leben auch sein mag, mindestens ein solches Leben beherbergt unsere Galaxis.
Als die gegenwärtigen Best Ager noch die Schulbank drückten, war es wissenschaftlich zulässig, die Planeten um unsere Sonne als etwas Einzigartiges zu betrachten. Wir wussten nicht, ob es noch weitere Planetensysteme gibt. Nur wenige Jahrzehnte später wissen wir, dass Planeten um ihre Heimatssterne der Normalzustand sind. Inzwischen wird die Anzahl der Planeten alleine in unserer Galaxis auf 100 Milliarden geschätzt.
Wenn es in unserer Galaxis 100 Milliarden Sterne gibt, da die Anzahl der Galaxien in dem durch uns beobachtbaren Universum auf ebenfalls 100 Milliarden geschätzt wird, so ergibt das eine Trillion oder ausgeschrieben 1.000.000.000.000.000.000 Planeten.
Die Planeten in der Galaxis
Bleiben wir jedoch in unserer großen komischen Heimat, also unserer Galaxis, deren Teile wir als die Milchstraße am dunklen, nächtlichen Himmel betrachten können. Wie viele Planeten gibt es in unserer Galaxis?
Dazu müssen einige Teilfragen beantwortet werden. Wie viele Sterne beinhaltet unsere Galaxis? Wie viele dieser Sterne weisen Planeten auf? Und wie viele Planeten? Wie viele dieser Planeten existieren in der habitablen Zone, also mit der physikalischen Existenzmöglichkeit vom flüssigen Wasser?
Die Anzahl der Sterne in der Galaxis kann nur geschätzt werden. Dazu wird die recht gut bestimmbare Gesamtmasse der Galaxis durch die Masse eines Durchschnittsterns geteilt (unsere Sonne ist ein Durchschnittstern) woraus sich Zahlen zwischen 100 Milliarden und 300 Milliarden Sterne ergeben. Einfachheitshalber bleiben wir bei den 100 Milliarden.
Und wie viele Sterne weisen Planeten auf? Der erste extrasolare Planet wurde 1992 nachgewiesen. Gegenwärtig (Anfang 2013) sind knapp 900 Planeten eindeutig nachgewiesen, einige Hundert Planeten warten auf die endgültige Bestätigung und ein paar Tausend Kandidaten werden genauer untersucht. Sogar um den nach der Sonne nächsten Stern, den Alpha Centauri B, wurde ein Planet nachgewiesen.
Planeten um einen Stern entwickeln sich immer mehr zum Normalzustand in der Galaxis. Und warum sollte die Galaxis eine Ausnahme bilden?
Und da sollten wir allein in der Galaxis sein?!
Die naturwissenschaftlichen Chauvinismen
Im Zusammenhang mit der Frage nach extraterrestrischem Leben werden von Anfang an bestimmte Chauvinismen diskutiert. In diesem Kontext ist damit die Annahme gemeint, dass intelligentes Leben nur in der uns bekannten Form und unter den uns bekannten Umweltbedingungen existieren kann.
Aber. Muss das Leben erdähnlich sein? Muss es auf Kohlenstoff basieren? Kann nur Wasser das erforderliche Lösungsmittel sein? Kann das Leben nur in den gemäßigten Temperaturbereichen existieren? Kann das Leben nur auf Planeten existieren?
Diese Fragen sind nicht nur spekulativer Natur, denn die Natur selbst lieferte uns Fakten, die die Annahme widerlegen, dass Leben nur so existieren kann, wir wir als Menschen es kennen. Diese Fakten sind Bakterien, die wir auf der Erde in den lebensfeindlichsten Umgebungen gefunden haben. Ob Temperaturen über 100° C, ob enormer Druck in der Meerestiefe, ob niedrige Temperaturen im ewigen Eis, ob Schwefelbakterien oder andere Exoten. All das finden wir auf unserer Erde.
Vielleicht hat sich in den Tiefen des Weltalls komplexeres und intelligentes Leben unter solchen für uns Menschen lebensfeindlichen Bedingungen entwickelt?
Nochmals und mit noch größerem Nachdruck gefragt: Und da sollten wir allein in der Galaxis sein?!
Spirituelle Chauvinismen
Die vorgenannten naturwissenschaftlichen Chauvinismen lassen uns vorsichtiger werden. Wir dürfen und müssen jedoch den anerkannten und erforschten Rahmen der (messenden) Wissenschaften verlassen, wenn wir uns nicht ein- und beschränken wollen, was nun wirklich dem menschlichen Wesen widersprechen würde. Werden wir also noch unvorsichtiger.
Müssen die Träger intelligenten Lebens oder Intelligenz, etwas allgemeiner gefragt, körperlicher Natur sein? Kann sich nicht Intelligenz in einer gänzlich anderen und unserem Verstand noch unzugänglichen Form entwickeln?
Und wenn unsere körperliche Intelligenz nur die erste Stufe der Entwicklung ist? Wenn wir uns über Millionen von Jahren so entwickeln, dass wir zu etwas werden, was wir heute als Geister bezeichnen würden?
Spinnereien? Dann gehen wir doch nur 1.000 Jahre zurück. Was würde ein damals lebender Mensch sagen, wenn er unsere Technik sehen würde? Es wäre Zauberei. Können wir uns unsere menschliche Technik in 1.000 oder in 10.000 Jahren vorstellen? Auch für uns würde das vermutlich Zauberei sein.
Kosmisch betrachtet sind 10.000 Jahre keine Zeit. Unser Sonnensystem existiert an die 5 Milliarden Jahre. Es gibt Sterne in der Galaxis, die deutlich älter als die Sonne sind. Wenn sich intelligentes Leben in einem Sternsystem eine Milliarde Jahre vor unserem Leben entwickelt hat? Würden wir diese Technik als Zauberei betrachten? Würden wir sie überhaupt erkennen können? Haben diese Wesen eine Existenzform erreicht, die die körperliche Ebene verlassen hat?
Eine der für mich faszinierendsten Kurzgeschichten hat Isaac Asimov, einer der bekanntesten SciFi-Schriftsteller, geschrieben. „The Last Question“ ist 1956 erschienen und wurde ins Deutsche etwas seltsam mit „Wenn die Sterne verlöschen“ übersetzt. Diese Kurzgeschichte ist wissenschaftlich, spirituell und theologisch zugleich, erstreckt sich in ihrer Handlung über Abermilliarden von Jahren, hat einen Bezug zum Tanz des Gottes Shiva oder einem zyklischen Universum sowie zu unserem spirituellen Chauvinismus. Sie gipfelt in einem der überraschendsten letzten Sätze einer Kurzgeschichte, der gleichzeitig einer der ersten Sätze in der biblischen Welt ist …
Und da sollten wir allein sein?!
Daher zum dritten Mal die Frage: Und da sollten wir allein sein? Denn der sehr kleinen Wahrscheinlichkeit – eher Unwahrscheinlichkeit – intelligenten Lebens steht die enorm große Zahl der möglichen Planeten gegenüber und macht intelligentes Leben im Weltall zu einer mathematisch zwingenden Notwendigkeit.
Den Antworten auf diese Frage widmen wir uns im nächsten Teil und beginnen mit dem Fermi-Paradoxon, welches verkürzt mit der Frage wiedergeben werden kann „Wo sind sie denn, die Außerirdischen?!“
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