Menschliche Chauvinismen, Fleisch und Glaubenskriege

Teil 6 der Reihe »Lebewesen, Fleischkonsum, Seele«

Die Ismen und die Ängste

Ja, richtig gelesen: menschliche Chauvinismen, nicht nationale oder männliche.

Chauvinismus ist die Überhöhung des Eigenen verbunden mit einer Herabsetzung des Anderen.

Das kann die Religion, die Kultur oder die Nation sein oder das Geschlecht, die Sprache, die sozialen Gruppen. Betrifft der Chauvinismus eine Rasse, spricht man eher vom Rassismus, bei einer Nation vom Nationalismus. Wenn von Nationalismus oder Chauvinismus die Rede ist, ist die Xenophobie nicht weit. Xenophobie besteht aus zwei Worten griechischen Ursprungs für »fremd« und »Angst«. Demnach müsste Xenophobie mit Fremdenangst übersetzt werden. Dennoch werden meist die Begriffe Fremdenfeindlichkeit oder Fremdenhass verwendet.

Wer gerne mit den Ismen operiert, was ein wesentlicher Teil der Menschheit macht, dem Social Media nach zu schließen, sollte Vorsicht walten lassen. Nicht jeder Mensch, der seine Nation mag, ist ein Nationalist. Nicht jeder Mann, der zu seinem Mannsein steht, ist ein männlicher Chauvinist oder ein Macho.

Wer gerne mit den Ismen operiert, weist auf ihre Gründe hin, was das Wort Xenophobie verdeutlicht: die Phobie. Es ist die Angst vor dem Anderen, vor dem Andersseins, vor dem Unbekannten. Oder die Angst vor den Veränderungen, die das Andere mit sich bringen könnte.

Ängste und Toleranz

Die Vorsicht vor dem Fremden ist eine der Überlebensstrategien der irdischen Spezies. Nicht nur in der Vergangenheit, auch heute leben wir damit. Wenn Fremde in einem Clan Einzug halten, weil beispielsweise die Kinder mit ihren Partnerkandidaten erscheinen, erzeugt das Vorsicht, die auch in Ängsten münden kann. Ein menschlicher all zu menschlicher Vorgang, ein normaler, ein von der Evolution her notwendiger.

Wer jegliche Vorsicht, jegliche Angst vor dem Fremden, was nicht nur der Mensch sein kann, verteufelt und jeden, der die Ängste zugibt als Rassist, Nationalist, Chauvinist oder ähnlich klassifiziert, dokumentiert nur eines, nämlich seine eigene beschränkte Sichtweise. Er dokumentiert auch die eigenen Ängste, die oft unbewusst sind.

Ein wenig Toleranz bewahrt vor übereilten Bewertungen, die später Leid tun können. Ausgesprochene Worte lassen sich ebenso wenig zurückholen, wie ein abgeschossener Pfeil.

Ein wenig Toleranz in Union mit der Vorsicht garantierte das Überleben. Die Toleranz sorgte für frisches Blut und beugte Inzest vor, die Vorsicht entlarvte die Störer und die Feinde. Kein Mensch ist frei von den genetischen Programmen, die über Jahrmillionen für das Überleben sorgten und sich so bewährten.

Gesunde Toleranz trägt zu Veränderungen bei und zur Reifung. Ideologisierte Toleranz zum Untergang.

Menschliche Chauvinismen

Außergewöhnliche Ismen liefert SETI, die Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen. Vor wenigen Jahrzehnten war man überzeugt, dass Leben nur auf Kohlenstoffbasis existieren könne, auf Wasser angewiesen sei, eventuell auch auf Sauerstoff. Das Leben könne nur auf erdähnlichen Planeten existieren und Planeten seien eine kosmische Rarität. Intelligenz schließlich sei nur bei technologischen Zivilisationen möglich.

Das sind nur einige Beispiele dessen, was progressive SETI-Forscher als Chauvinismen klassifizierten. Anfänglich wurden diese Menschen belächelt.

Heute wissen wir vom Leben im kochend heißen Wasser in den schwarzen Rauchern der Ozeane, in den Geysiren, unter einem enormen Druck im Gestein, im ewigen Eis, in der unmittelbaren Nähe aktiver Vulkankrater. Die Bausteine des Lebens fanden wir in Kometen und Asteroiden. Spätern kamen die Planetenmonde des Sonnsystems hinzu, heute sind sie im Weltall nachgewiesen worden, in fernen Galaxien, woran kaum ein SETI-Forscher der Anfangszeiten dachte. [*]

»Das Leben findet einen Weg«. Ahnten die Filmemacher von »Jurassic Park« die Tragweite dieses Satzes, als sie Jeff Goldblum dies sprechen ließen?

Es waren also doch menschliche Chauvinismen einiger SETI-Forscher, die heute überwunden worden sind.

Und die Angst vor den Extraterrestrischen? Hartgesottene Chauvinisten klammern sich hoffnungsvoll an die Seltenheit des intelligenten Lebens, nachdem das primitive Leben kein irdisches Privileg zu sein scheint. Das ist aber ein anderes Thema, zurück zu dem Fleisch der Erde.

Fleisch-Chauvinismen und Glaubenskriege

Wer sich für oder wider Fleisch entscheidet, aber tolerant bleibt oder andere mit Argumenten zu überzeugen versucht, ist kein Chauvinist. Zur Erinnerung: Chauvinismus ist die Überhöhung des Eigenen verbunden mit einer Herabsetzung des Anderen.

Ernährungschauvinisten verurteilen und bekämpfen jegliche Andersartigkeit. Sie verteufeln das Andere in der eingeübten Tradition religiöser Institutionen, ohne dass ihnen dies bewusst wird. Es ist eine Fortsetzung der Glaubenskriege an anderen Fronten.

Beim Fleisch finden sich zwei entgegengesetzte Chauvinismen; einer in der Gruppe der Fleischesser, der andere bei denjenigen, die Fleisch oder grundsätzlich Tierprodukte meiden. Beide behaupten, wenn auch mit unterschiedlichen Schlagwörtern, nur die eigene Ernährungsart sei korrekt, menschlich, sinnvoll, moralisch, die andere hingegen gesundheitsschädlich, verwerflich, unlogisch, amoralisch.

Wer solch chauvinistische Züge zeigt, sollte sich eine Frage stellen: Was will ich mit meiner radikalen Einstellung erreichen.

Wer andere von der Richtigkeit oder Notwendigkeit seiner Ernährungsweise überzeugen will, erreicht das nicht mittels Glaubenskriegen oder anderer Intoleranzen respektive Ideologien.

Ideologien erzeugen Abneigung, Abwehr, Gegenwehr. Ideologien führen zu Kriegen, die mit Worten ausgefochten werden oder mit anderen Waffen. Auch intolerante, ideologische Worte sind Waffen.

Wer andere zum Nachdenken bewegen will, wer sie überzeugen will, erreicht das nur ohne Kriege. Das kann eine Argumentation der Logik mit überzeugenden Ursache-Wirkung-Ketten sein oder eine Argumentation, die sich auf Moral oder Ethik beruft. Optimal sind Beispiele statt Worte, Vorleben statt Predigen.

Die Argumentation mittels des Vorlebens ist schwierig. Sie benötigt Zeit und gibt keine Erfolgsgarantie bei allen Menschen des anderen Lagers. Mehr darüber aber erst nach der Vorstellung der beiden chauvinistischen Fleischgruppen.


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