Die Seele und der Verstand

Seelenpartner versus Seelengefährte? Teil 1

Glaubt man den Ausführungen zu den Seelenpartnern, allen voran im Web, so gibt es bei dieser Spezies diverse Kategorien und Abstufungen. Sie sind mit viel Leid verbunden, welches in bestimmten Phasen abläuft.

Ein Seelenpartner, wie ich es hier meine, ist nicht der Partner einer Seelenpartnerschaft, wie sie Goethe beschreibt. Seelenpartner, wie ich es meine, sind Seelen, die sich zum wiederholten Male in ihren Leben begegnen, die eine karmische Verbindung haben.

Als ich vor Jahren die ersten Texte über Seelenpartnerschaften veröffentlichte, war ein Seelenpartner ein rundum positiver Begriff. Seelenpartner begleiten sich durch mehrere Leben hinweg, sie lieben sich, sie helfen sich gegenseitig. Sie lernen gemeinsam das, was der Menschen und der Seele am wichtigsten ist, was das Ziel der Mühen und des Leids, der Wege und Umwege ist – die Liebe.

Heute sind die positiven Seiten der Seelenpartner geblieben. Negative Seiten kann ein Seelenpartner haben, doch können sie ihre negative Wirkung nur entfalten, wenn der andere Partner dies zulässt. Dennoch bin ich vorsichtig geworden und spreche immer seltener von einem Seelenpartner. Warum?

Um diese Frage zu beantworten, gehe ich zunächst auf die Unterschiede zwischen der Seele und dem Verstand ein. Diese Unterschiede finde ich essenziell, wenn man dieses Leben und die vergangenen betrachten will.

Der Verstand

Wenn der Verstand etwas negativ nennt, sagt das etwas über seine Wahrnehmung aus, nicht über das betreffende Objekt. Seelenpartner bilden da keine Ausnahme.

Der Verstand ist bequem, er erklärt gerne das Ego zum Zentrum des Lebens oder zum Nabel seiner Welt. Er stellt Ansprüche, sogar auf Liebe. Er redet gerne von Schuld und sucht sie bei den anderen. Er analysiert, stuft ein, wertet und bewertet, urteilt und verurteilt. Ein kleiner, mieser, unreifer Wicht, könnte man meinen. Ein Bösewicht.

Dieser Bösewicht erscheint in einem anderen Licht, wenn seine Existenz mit der Existenz der Seele verglichen wird. Der Verstand beginnt sein Leben beinahe als Tabula rasa. Beinahe, denn jeder Mensch nimmt in der Schwangerschaft die Erfahrungen, Ängste, Sorgen oder Freuden seiner Mutter mit. Er wird durch die Mutter vorgeprägt. Er wird durch den Körper und die Gesundheit der Mutter vorgeprägt. Heute wird ein Teil dieser Vorprägungen kollektives Gedächtnis genannt. Die Kirche, die gerne mit den angstbesetzten Kategorien arbeitet, spricht von einer Erbsünde.

Hinzu kommt, dass der junge Mensch in der Schwangerschaft kein Ich hat. Ich, das ist für ihn die Mutter, die Fruchtblase ist ihm seine Welt. Erst nach der Geburt beginnt für ihn das Lernen und zu den ersten Leistungen gehört die Arbeit an dem eigenen Ich. Das ist wahrhaftig eine Leistung, die vieles abverlangt, die Jahre und Jahrzehnte andauert. Endet sie jemals? Weiß der Mensch, wer und was er ist, ist er sich des Antriebs seines Handelns immer bewusst?

Der Bösewicht ist nicht mehr so böse. Mitleid mit ihm kommt auf.

Die Seele

Die Seele hat es unvergleichlich leichter. Ungerecht scheint das dem Verstand gegenüber, der ohne ein Ich aber mit den Prägungen vorbelastet, sein Leben beginnen muss. Oder gleich mit der Sünde, wodurch der Start ins Leben von vornherein mit einer Last verbunden ist und mit der Aussicht auf die ewige Verdammnis. Es bedarf noch viel Zeit und viel Lernens, bis die Perversion einer ewigen Verdammnis das Leben und die Liebe nicht mehr verdunkelt und behindert (s. »Armer Teufel – die Hölle gibt es nicht« [*]).

Die Seele behält ihre Erinnerungen an die Vorleben, sei vergisst ihr erfolgtes Lernen nicht. Sie weiß um das geplante Lernen dieses Lebens, sie weiß, warum gerade diese Mutter, warum dieses Eck der Erde, diese Kultur, diese Religion, diese Zeit.

Wer das bedenkt, muss Mitleid mit dem Verstand haben, kann der Seele zürnen oder der Ungerechtigkeit, die solche Ungleichheiten schafft. Dieses Mitleid ist gut, ist es doch der erste Schritt zu dem biblischen Aufruf zur Selbstliebe: »Liebe den anderen wie dich selbst.«

Der Verstand und die Seele

Von Geburt an gehen die Seele und der Verstand – also der Mensch – gemeinsame Wege. Für das Gespann Mensch-Seele beginnen die Wege mit einem Vergessen des alten Wissens. Es ist kein endgültiges Vergessen, die Seele könnte sonst nicht lernen. Sie erinnert sich in aller Klarheit erst wieder in der nächsten Zwischenzeit, in der Zeit zwischen den Leben.

Das Vergessen ist fair, ist gerecht, ist richtig. Es ist notwendig. Ein Beispiel soll das verdeutlichen, es gilt für alles andere Lernen.

Ein Mensch brachte einen anderen Menschen um, er ist ein Mörder. Dies brachte ihm Vorteile und da sein Gewissen noch unreif war, lernte er, im Töten eine Befriedigung seiner Wünsche zu sehen. Aber da funkte seine Seele dazwischen, flüsterte ihm etwas von Ungerechtigkeit, von Moral oder von Ethik, von einem Du. Es folgten dennoch weitere Morde, bis der Mensch der Seele Gehör schenkte und ihn Zweifel überkamen, ob er andere des eigenen Vorteils willens töten darf.

Mit jedem neuen Leben reift das Mensch-Seele-Gespann. Es sind lange Wege, sie erfordern viel Zeit, sie erfordern mehrere Leben. Wäre es nicht einfacher und gerechter, wenn der Verstand an dem Wissen der Seele teilhaben könnte?


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