Lernende Seelenpartner im Alltag: »Du kannst das nicht tragen!«; Es begann in de Hochzeitsnacht

Hochzeitsnacht und Lernen in der Partnerschaft

Obwohl Andrea in Thomas (Namen geändert) einen zuverlässigen und vertrauenswürdigen Partner sieht, kann sie sich in Krisensituationen auf ihn nicht verlassen. Sie vertraut ihm in diesen Momenten nicht, kann ihn nicht um Unterstützung bitten oder seine Hilfe annehmen. Thomas‘ Fragen danach beantwortet sie mit dem Vorwurf:
„Du kannst das nicht tragen!“

Erklären kann Andrea diesen Satz nicht, sie weiß nicht, was Thomas nicht tragen kann. Thomas gelingt es zwar immer besser mit dem Vorwurf umzugehen, dennoch stellt er eine starke Belastung für beide Partner dar.

Andrea und Thomas sind über ein Jahrzehnt verheiratet und haben zwei Kinder im Schulalter. Ihre Beziehung bezeichnen sie als gut und in den Stürmen des Lebens bewährt, wozu das gegenseitige Vertrauen und der gegenseitige Respekt (die gleiche Augenhöhe [*]) besonders in Streitmomenten beigetragen hätten.

Die Spiritualität, die sie im Alltag inzwischen fern der institutionellen Vorgaben leben, sei für sie ein wichtiges Bindeglied geworden. Thomas wurde durch seine Großmutter mit spirituellen Themen konfrontiert, wodurch sein Verhältnis zu der institutionellen Kirche [*] im Teenageralter abgebrochen ist. Er sieht sich als ein gläubiger und spiritueller Mensch, ebenso Andrea, sie allerdings mit einer stärkeren Bindung zur Kirche.

Sind wir Seelenpartner?

Durch seine Großmutter lernte Thomas das Konzept von Seelenpartnerschaften kennen. Die Art, wie Thomas und Andrea strittige Themen lösten, einige Träume und innere Bilder, sowie manche Äußerungen Andreas machten mit der Zeit aus dem Wunsch nach einer Seelenpartnerschaft eine Gewissheit. Er befürchtete jedoch, dass Andrea diese Idee verwerfen würde. So kaufte er eine Film-DVD über Seelenpartnerschaften und sorgte dafür, dass sie sich diesen Film gemeinsam ansahen.

Er freute sich sehr, als ihn Andrea fragte: „Sind wir auch Seelenpartner?“ Ermutigt erzählte er von seinen Vermutungen, der Film wurde zur Nebensache und sie beschlossen, nach Hinweisen auf ihre Seelenpartnerschaft zu suchen. Andreas Skepsis war anfänglich dennoch groß; es waren einige Monate und mehrere Gespräche erforderlich, bis auch sie eine Seelenpartnerschaft als die große Wahrscheinlichkeit betrachtete.

Denn die Seele weiß es

Als Seelenpartner beschlossen sie, dem Thema und dem „Du kannst das nicht tragen“ auf den Grund zu gehen. Weil dies ihnen sehr alt vorkam, dachten sie an eine Erfahrung aus den Vorleben und dadurch an eine Rückführung oder eine Seelenantwort, um dieses Problem aufzulösen.

In der Seelenarbeit, ob in einer Seelenantwort [*] oder einer Rückführung [*], vermeide ich es, der Seele die Zeit oder den Ort vorzugeben, wohin sie reisen soll. Mit Seelenarbeit bezeichne ich eine therapeutische Sitzung, die zwar als Seelenantwort beginnt, die aber vollkommen offen gehalten wird und so auch in einer Rückführung enden kann. Die Seele führt – denn die Seele weiß es.

Da Andrea die Urheberin des Satzes ist, begannen wir mit ihr. Die Seelenarbeit wird von mir geleitet, Monika unterstützt mich und führt ein Protokoll, wodurch ich mich voll auf den Klienten konzentrieren kann. Bono, Monikas brauner Labrador, sollte auf Andreas Wunsch mit dabei sein. Darüber freut er sich immer wieder; für ihn scheint das Entspannung zu sein, die er ruhig neben der Seelencouch liegend verbringt.

In der Zeit zurück

Nachdem Andrea den Trancezustand erreichte, nahm sie zunächst keine Bilder wahr. Sie vernahm Töne, es wurde laut, sie hatte das Gefühl, eingeschlossen zu sein, es wechselte zwischen hell und dunkel. Viele Eindrücke, jedoch keine konkreten Hinweise auf den Ort oder die Zeit. Ich ließ Andrea noch tiefer entspannen und sich auf ihren Körper in dem Dort und Damals konzentrieren. Es gelang ihr nach und nach, den Kopf zu senken und sich selbst zu betrachten. Sie staunte: „Das ist jetzt … das ist dieses Leben“, denn sie dachte zunächst an ein Vorleben.

Die Seele führte aber Andrea nur zu ihrer Hochzeit mit Thomas zurück. Das Helle war ihr Hochzeitkleid, der Wechsel zwischen Hell und Dunkel resultierte aus dem Dunkel der Nacht und dem Licht im Tanzsaal, das Laute war die Tanzmusik. Nach einer kurzen Pause erkannte sie Thomas: „Er ist aber so alt. Und Thomas ist auch anders, er ist alt.“ Und nach einer Pause: „Ich habe Angst … Er hat ein Schwert!“ Es war offensichtlich, Andrea wollte in ein Vorleben wechseln.

Hier griff ich ein, da der bisherige Verlauf der Seelenantwort auf eine Lösung in diesem Leben hindeutete. In solchen Situationen bitte ich meistens den Klienten, in diesem Leben zu verbleiben, da die neueren Bilder stärker das Leben prägen. Andreas Seele ging darauf sofort ein. Um in diesem Leben zu ankern, ließ ich Andrea das Umfeld genauer beschreiben, wozu auch Töne oder Gerüche gehören. Sie fand sich schnell im Tanzsaal wieder und suchte nach Thomas. Doch er ist nicht da!

Er kann mich nicht über die Schwelle tragen

Sie suchte weiter, die Gäste wolle sie nicht fragen, das sei eine Schande für sie. Eine längere Pause, Andrea wurde unruhiger, sie schlug auf die Couch ein, wurde wütend. Ich fragte leise: „Was fühlst du jetzt?“ Ein kurzer Augenblick des Sammelns, dem ein Wortschwall folgte, mit dem sie sich Luft verschaffte; sie wechselte zwischen einem Flüstern und lautem und schnellem Schimpfen.

Ich erfuhr, dass sie Thomas darum bat, nicht zu viel zu trinken, da er es nicht vertragen würde. Thomas sicherte ihr das zu. Sie wisse jetzt aber, dass er doch zu viel getrunken habe, da er bei einem der Hochzeitbräuche dieser Gegend nicht als Schwächling dastehen, sondern dazugehören wollte. „Und jetzt liegt er irgendwo!“

Andrea entspannte sich, die Wut wich einer Trauer. Sie weinte. Leise beklagte sie sich, ihre Hochzeit sei ruiniert, da Thomas sie nicht über die Schwelle der gemeinsamen Wohnung tragen könne. Das sei ihr sehr wichtig. Jetzt konnte sie den entscheidenden Satz aussprechen. Aus „Du kannst das nicht tragen“ wurde „Er kann mich nicht über die Schwelle tragen.“

Fifty-fifty

Andrea erzählte Thomas von der Seelenarbeit und obwohl sie keine Vorwürfe machte, wie uns beide zusicherten, fühlte sich Thomas schuldig. Einige Tage später führten wir ein Nachgespräch mit ihnen.

In Beziehungen, auch in Seelenpartnerschaften, gibt es zwei simple aber wirksame Grundsätze: „Fifty-fifty“ und „Es gehören immer zwei dazu“. So simpel sie klingen mögen, so zutreffend und hilfreich sind sie. Was es hingegen nicht gibt, ist die Schuld. Es gibt die Verantwortung, die nicht auf ihre Anteile hin untersucht wird – fifty-fifty eben.

Mit diesen Prämissen machten wir uns an die Lösungsarbeit heran. Das Ergebnis kurz zusammengefasst:

  • Beiden war bekannt, dass Thomas nicht viel trinken kann. Auch waren beiden die damaligen Bräuche bekannt, zu denen manchmal exzessives Trinken dazugehörte.
  • Andrea griff während des Brauchs jedoch nicht ein. „Ich hatte damals nicht den Mut, mich dagegen aufzulehnen. Vielleicht hatte ich doch Angst, dass Thomas dann nicht so männlich erscheint …“
  • Thomas missachtete seine Trinkgrenzen. „Ich wollte dazugehören, wollte ein Kerl sein. Ich fühlte mich noch als ein Fremder, ein Zugereister.“

Seelenpartner

Das Ereignis hinterließ Spuren, die auch nach einem Jahrzehnt noch wirkten; unerkannt, ohne die wahre Ursache zu offenbaren. Andrea verdrängte aus Liebe zu Thomas das Ereignis. Aus dem „Du kannst mich nicht über die Schwelle tragen“ der Seele wurde im Verstand, also im Bewussten, ein „Du kannst das nicht tragen“. Thomas gefiel die verborgene Liebe hinter dieser Verdrängung. Das berührte ihn sehr – er weinte.

Beide waren nach dieser Arbeit von ihrer Seelenpartnerschaft ein gutes Stück mehr überzeugt. Andrea erzählte von den alten Bildern während ihrer Seelenreise. Sie finde es interessant, ob es wirklich Thomas gewesen sei. Habe dieses Vorleben Auswirkungen im heutigen Leben, in der Beziehung? Nach einer erfolgten Seelenarbeit empfehle ich, der Seele und dem Verstand Zeit für die Integration der Bilder zu geben. Sie teilten mir nach einer Unterredung mit, dass die nächste Seelenarbeit mit Thomas stattfinden solle – falls und wann es ihm danach sei.

Das Ereignis in der Hochzeitsnacht scheint ein Teil eines Lernthemas der beiden zu sein, welches für sie in diesem Leben bewusst geworden ist und daher gelöst werden kann.

Zunehmend gehören zu den Lernthemen die schönen Seiten des Lebens: das Leben der Partnerschaften in Freude und mit Genuss, welches durch Toleranz, Verständnis und Vertrauen ermöglicht wird. So radikal mein Satz „Ihr habt euch genug die Köpfe eingeschlagen“ [*] klingen mag, nahmen ihn Andrea und Thomas mit sichtlicher Erleichterung an. Sie beschlossen, von nun an ihre gemeinsamen Wege auf der lichten Seite des Lebens gehen zu wollen.


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