- Behinderung und der Mensch
- Behinderung und die Norm
- Selektion
- Designerbabys und Gewohnheit
- Homogenisierung
- Äußere Homogenisierung
- Innere Homogenisierung
- Fortsetzung folgt.
Es sind einige Ideenkeime für detailliertere Texte, die mich lange schon beschäftigen, die aber durch manche Reaktionen auf Greta Thunberg aktueller geworden sind. Außerdem gab es ein paar diesbezügliche Anfragen, also will ich kurz meine Betrachtungsweise dieser Begriffe erklären.
Behinderung und der Mensch
Mit »Behinderung« meine ich lediglich einen körperlichen oder geistigen Umstand, durch den ein Mensch in dem Einsatz einer oder mehrerer der üblichen Fähigkeit eingeschränkt ist. Bei diesen Menschen rede ich auch nicht von Behinderten, sondern von Menschen mit Behinderung.
Warum ich diese sprachliche Differenzierung verwende, erläuterte ich in »Worte hinterfragt: Behinderung, Logik, Sprache« [*]. Die Kernaussage:
- Ein Behinderter ist ein Mensch, dessen besonderes oder gar einziges Merkmal die Behinderung ist.
Dieser Mensch wird auf die Behinderung reduziert. - Ein Mensch mit Behinderung ist ein Mensch, der mit etwas lebt, was die normalen als Behinderung definieren.
Hier steht der Mensch im Vordergrund.
Behinderung und die Norm
Eine Behinderung liegt also bei einer Abweichung von dem Üblichen vor, wie ich es oben formulierte. Ob üblich, normal, gewohnt oder standardmäßig; immer lauert eine Frage im Hintergrund: Wer definiert, was normal sei und bei welchem Grad der Abweichung davon eine Behinderung vorliegt?
Wer leichten Gewissens an diese Antworten herangeht, erinnere sich der noch nicht so fernen Zeit des unwerten Lebens bedenken. Es war eine Ideologie und es kann erneut zur Ideologie werden, wenn erneut Regeln und Normen aufgestellt werden.
Selektion
Selektion – ein böses Wort in Zusammenhang mit Behinderung, wenn sogar ein unwertes Leben erwähnt wird? Zweifelsohne.
Selektion – ein unpassendes Wort in Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik? Nein, logisch oder linguistisch betrachtet. Es ist ein korrektes Wort, da faktisch eine Selektion stattfindet. Und was da ausselektiert wird, ist unabhängig von dem Selektionszeitpunkt im Endeffekt ein Leben, ein menschliches Wesen.
Und dennoch kann ich diese Feststellung nicht unkommentiert stehen lassen. Ich maße mir die Entscheidung nicht an, ob diese Untersuchung erlaubt sein darf oder nicht; das wurde unlängst ohnehin rechtlich entschieden. Detaillierter gehe ich darauf später mal ein. Jetzt eine Anmerkung nur: Ich war erleichtert, dass ich nie vor der Ja-Nein-Entscheidung stand, die sich auf ungeborenes Leben bezog. Eine Abtreibung stand nicht zur Diskussion, die Pränataldiagnostik ohnehin nicht.
Wie reagiere ich aber, sollte ein junger Mensch besonders meines Clans, mit dieser Frage an mich herantreten? Ich weiß es nicht, lautet die ehrliche Antwort. Dies ist für mich eine Grenzsituation, und kein Mensch weiß, wie er in Grenzsituationen reagiert und entscheidet.
Pränataldiagnostik ist eine Selektion ebenso wie eine moralisch-ethische Frage ohne simple Antworten.
Designerbabys und Gewohnheit
Ich bleibe bei dem noch provokanten Begriff der Selektion. Noch, denn in einer nahen Zukunft wird dies ein normaler Vorgang. Einen verharmlosenden Euphemismus für Selektion wird der Mensch schon finden.
Keine Schwarzmalerei ist das, sondern eine simple Interpolation der bisherigen Wege des Menschen und des immanenten Wunsches nach einer Selbstoptimierung. Wenn diese Selbstoptimierung bei sich selbst nicht in dem gewünschten Maße möglich ist, soll dies mit den eigenen Kindern gelingen. Nicht immer des Kindeswohls wegen; Kinder werden zunehmend zu einem Statussymbol.
Überdies ist der Mensch ein Gewohnheitstier und gewöhnt sich an beinahe alles, was oft genug wiederholt wird. Eine alte Erkenntnis, die im vergangenen Jahrhundert Goebbels meisterhaft nicht nur in der Sportpalastrede anwandte.
Die ersten Meldungen über Designerbabys in China sorgten für ein unüberhörbares Echo in den Medien. Wer weiß, dass es weitere Designerbabys gibt, dass Europa bereits 2003 einen Vorreiter spielte? Wer es nicht glaubt, möge nach einem verwandten Begriff recherchieren: Rettungsgeschwister. Und in den USA ist ein Designerbaby für gerade 140.000 Dollar zu haben.
Es bedarf noch ein paar Designerbabys, bis ein Social-Media-Post über ein Bekleidungsdetail eines der unzähligen Promis mehr Beachtung findet. Ich glaube, es bedarf nur wenige Jahre, bis diese düstere These bewiesen wird.
Designerbabys sind ein radikaler Schritt auf dem Weg zur Homogenisierung des Menschen. Daneben existieren subtilere Methoden, die nicht erkannt respektive verdrängt werden. Es sind alte Methoden, es sind Methoden, die in Deutschland angewandt werden. Sogar besonders in Deutschland, womit ich nicht die nationalsozialistische Vergangenheit andeute. Nein, die Homogenisierung ist eine Gegenwartsmethode.
Homogenisierung
Homogenisierung mit Behinderung und Selektion zu verbinden – abstrus, gewagt, nicht einleuchtend? Homogen ist ein Synonym für gleichartig; homogene Gruppen bestehen aus gleichartigen Mitgliedern. Homogenisierung ist die verfahrenstechnische Mischung von beispielsweise Fett und Wasser oder von Zerkleinerung der Fettkügelchen (Lipidkügelchen) in der Milch, um eine Emulsion zu erhalten. Emulsionen sind Mischungen von nicht mischbaren Substanzen – beispielsweise die H-Milch.
Für die Homogenisierung in dem menschlichen Kontext sind primär zwei der genannten Aspekte relevant: erstens die Gleichartigkeit, zweitens der Zwang, die Nötigung der verschiedenartigen – eben inhomogenen – Bestandteile. Sympathisch klingt das nicht und die Endung »ung« verstärkt diesen Eindruck.
Zusammengefasst: Homogenisierung des Menschen meint seine Gleichmachung oder Gleichschaltung, für die eine Nivellierung der Unterschiede erforderlich ist.
Äußere Homogenisierung
Die Homogenisierung kann äußerlich erfolgen. Das prägnanteste Beispiel sind die Uniformen diverser Gruppen. Uniformen symbolisieren die Gruppenzugehörigkeit und können erforderlich sein oder mehr oder weniger freiwillig.
Diese Homogenisierung muss nicht negativ sein; beim Militär oder der Polizei hat sie ihren Sinn. Über Schuluniformen oder andere lässt sich streiten, zumindest in den in Grundzügen freien Staaten. In diktatorischen Ländern ist das keine Streitfrage – außer jemand riskiert eine Gefängnisstrafe oder schlimmere Repressalien.
Ein Konsumkritiker kann das Modediktat der kapitalistischen Gesellschaften aufführen. Er dürfte ideologisch links zu verorten sein. Ideologien sind unabhängig von einer Verortung immer Zwangsmeinungen und somit ein Mittel der Homogenisierung.
Die äußere Homogenisierung kann durch Zwänge verordnet sein. Sie ist dann unerfreulich und im Extremfall tödlich, sollte sich ihr jemand in einem totalitären System verweigern.
Innere Homogenisierung
Die innere Homogenisierung ist nicht so sehr an Kleidern oder anderen Äußerlichkeiten erkennbar. Wohl schon an der Sprache, wenn sie die spezifische Sprache einer Gruppe ist und nicht solch Phänomen wie beispielsweise der Jugendjargon.
Gleichwohl geht die äußere Homogenisierung mit der inneren einher. Nicht immer bewusst, manchmal wird dem vehement widersprochen, manchmal ist der Zwang bewusst, wird aber innerlich abgewehrt und zu einer freiwilligen Entscheidung deklariert. Wer einer Gruppe angehören will, muss ihre Regeln beachten.
Nicht immer entsprechen die Gruppenregeln und -überzeugungen den eigenen Meinungen. Es kann sachliche Gründe geben, warum jemand einer Gruppe angehören will, es kann unbewusste Gründe geben, es kann ein äußerer Druck sein, der in eine Gruppe zwängt. Wer eine Gruppenzugehörigkeit nicht aus eigener Überzeugung anstrebt, muss sich anpassen, muss sich angleichen. Im Endeffekt jedoch erfolgt die Angleichung oder die Homogenisierung aus eigenen Beweggründen.
Es gibt eine andere Art der Homogenisierung, die diesen negativen Terminus eindeutiger verdient. Es ist die von Interessengruppen – politischen oder religiösen – angestrebte Homogenisierung des Einflusses und der Macht willen.
Diese innere Homogenisierung ist immer fatal. Sie hat immer fatale Folgen sowohl für den Einzelnen als auch für die Gruppe, die da homogen sein soll oder dem Willen der Machthaber nach homogen sein muss. Es sind nicht immer die offensichtlichen Machthaber, die eine Homogenisierung anstreben.
Das sind die verhängnisvollsten Konsequenzen der Homogenisierung. Heute sind es sogar globale Konsequenzen, sie betreffen die gesamte Spezies Mensch.
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