Der 21. Dezember 2012 ist vorbei, die Erde dreht sich dennoch weiter.
Damals haben einige Menschen den Maya-Kalender missinterpretiert. Dafür ließen sich zwei grundsätzliche Gründe oder Gruppen der Menschen finden.
Die einen witterten ein leichtes Geschäft. Allen voran die Bücherschreiber oder Filmemacher, die mit drastischen Bildern vom Ende der bekannten Welt profitierten.
Die anderen hofften, dass mit einer globalen Katastrophe – mit einer Hoffnung auf Überleben – sämtliche aktuellen Probleme sich im Nirwana auflösen. Schulden? Steuern und das Finanzamt? Niederträchtige Partner oder Chefs? All das ist vorbei, wenn sich die Prophezeiung der Mayas erfüllt. (Siehe Weblinks am Ende des Beitrags.)
Katastrophenüberfluss
Man darf auch von der Sehnsucht nach Katastrophen reden, sogar nach solch ultimativen wie dem Weltuntergang. Das ist eine der menschlichen Eigenschaften, die man differenziert betrachten muss.
Evolutionsbiologisch lebten wir sowie unsere menschlichen und tierischen Vorfahren den erdrückenden Großteil der Existenz mit Ängsten. Mit existenziellen Ängsten. Vor den wilden Tieren, die uns jagten und verspeisten. Vor den anderen Mitlebewesen, die uns bekämpften, beraubten, manchmal ebenfalls auf dem Speiseplan hatten. Es war dabei irrelevant, ob aus Hunger oder aus ritualen Gründen.
Die Katastrophen waren und sind unser Leben. So lange und so intensiv, dass sich die diesbezüglichen Ängste in den Genen eingenistet hatten. Gut und richtig war das so. Denn wer keine Ängste hatte, überlebte die Zeiten nicht. Folglich konnte er seine Gene nicht weitergeben.
Es überlebten die Lebewesen, auch die Menschen, die mit den Ängsten lebten. Wir sind Nachfahren der ängstlichen Menschen.
Katastrophenmangel
Behaupte ich, wir leben in einem Katastrophenmangel, rechne ich mit Widerspruch. Es reicht jedoch, kurz in die Nachrichten der gegenwärtigen Medien hineinzuhören, kurz die Videos auf Youtube anzusehen, die vor natürlichen, politischen, religiösen oder finanziellen Katastrophen warnen.
Dennoch leben wir in ruhigen und glücklichen Zeiten im Vergleich zu unseren Ahnen. Wer sich ein wenig von den Mediennews lösen kann, die ihren Schwerpunkt auf das Schlechte, das Böse, das Katastrophale legen (okay, den Sex nicht vergessen), wird das zugeben können.
Katastrophensehnsucht
Angesichts dieses Mangels suchen wir nach Katastrophen. Wir sehen uns Katastrophen- oder Horrorfilme an, lesen dergleichen.
Es ist dasselbe Phänomen wie bei manchen Allergien respektive Autoimmunerkrankungen. Findet der Körper zu wenig Dreck in der Umgebung, sucht er sich Sparringpartner aus, mit denen er seine Abwehrkräfte trainieren kann. Und leider sind das manchmal Sparringpartner, die sich im eigenen Körper befinden.
Wer seinen Wohnbereich zu 99,99 % keimfrei zu halten versucht, bietet dem Körper zu wenig Dreck an – respektlos, aber zutreffend ausgedrückt. Dreck, weil ich noch den Satz meiner Jugend kenne: Sieben Pfund Dreck braucht der Mensch im Jahr.
Das körperliche Immunsystem sucht also nach Gefahren in der Umwelt.
Die Psyche funktioniert ähnlich. Die Ängste waren ewige Zeiten lang ein Garant des Überlebens, also her mit den Ängsten. Gibt es zu wenig davon in der realen Welt, zieht es uns zu den virtuellen Katastrophen und dem virtuellen Horror hin.
In Anbetracht dessen darf man von einer Katastrophensehnsucht sprechen. Mit dem Verstand kann man sie mal mehr, mal weniger mildern. Die Jahrmillionen des Lebens mit den Ängsten werden wir jedoch nicht in wenigen Generationen aus den Genen verbannen.
Die erste Chance: 21. Dezember 2012
Eine der größten Chancen einer sogar globalen Katastrophe war das prophezeite Ende der uns bekannten Welt. Dies war für den 21. Dezember 2012 angekündigt.
Was daraus geworden ist, wissen wir. Einigen Schreibern und Filmemachern brachte dies das erhoffte Geld. Das war es dann im Wesentlichen.
Wer sich nach einer Katastrophe sehnte, wurde enttäuscht. Die alten Mayas verklagen, das ging leider nicht. Also weg mit den Büchern, schade nur um das Geld, welches man anders nutzbringender hätte ausgeben können.
Die zweite Chance: Dezember 2032
Exakt 20 Jahre und einen Tag nach dem 21.12.2012 gibt es die nächste Chance – also am 22.12.2032.
Hätte ich den Beitrag »Die zweite Chance« gleich im letzten Newsletter beendet, wäre die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags eines Asteroiden auf der Erde größer gewesen. Der Asteroid trägt die Bezeichnung 2024 YR4.
Vor einem Monat sprach man noch von einer Wahrscheinlichkeit eines Einschlags von 3,1 %. Kling vielleicht nicht groß, doch war dies die größte Wahrscheinlichkeit, seit es diese Schätzungen gibt.
Die Beobachtungen der letzten Wochen senkten jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags. Es könnte jedoch noch störende Einflüsse durch die Gravitationseinwirkung anderer Körper des Sonnensystems geben. Die Wahrscheinlichkeit kann also noch schwanken in die eine oder andere Richtung.
Es bleibt abzuwarten, welche Wege 2024 YR4 einschlägt und wie nah er der Erde kommt. Nahe wird es sein. Ob es ein naher Vorbeiflug sein wird oder doch eine Begegnung der schlimmeren Art wird die Zukunft zeigen. Es sind nur noch 7 Jahre bis 2032.
Nun etwas Beruhigendes.
Der Asteroid hat einen Durchmesser von geschätzt 90 Metern. Das ist winzig im Vergleich zu dem Asteroiden, dessen Einschlag vor 66 Millionen Jahren zur Vernichtung deutlich über der Hälfte aller Lebensformen beitrug. Darunter waren auch die Dinosaurier. Dieser Asteroid hatte eine Größe zwischen 10 und 11 km.
Würde 2024 YR4 auf der Erde einschlagen, entspräche die freigesetzte Energie 500 Hiroshima-Atombomben. Das könnte auch eine Großstadt ausradieren, wenn er sie denn treffen würde. Schätzungsweise würde alles im Umkreis von 10 km zerstört. Globale Konsequenzen gäbe es jedoch keine.
Nichts also mit 2024 YR4. Nichts auch mit dem Asteroiden 99942 Apophis. Immerhin ein Durchmesser von 350 Metern. Doch auch er wird an der Erde vorbeifliegen im Jahr 2029. Wie er sich bei den späteren Vorbeiflügen benehmen wird, wie nahe er dann der Erde kommt, das steht noch in den Sternen.
In den Startlöchern ist jedoch ein anderer Asteroid. Vermutlich hat er sie bereits verlassen. Der für das Leben auf der Erde gefährlichste Asteroid trägt einen anderen Namen – Homo sapiens.
Diese Spezies scheint immer noch nicht begriffen zu haben, dass sie von der Natur abhängig ist. Umgekehrt trifft das nicht zu.